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Blickt er noch durch? Papst Benedikt XVI. soll mittlerweile über die Hintermänner des Dokumentenklaus im Vatikan Bescheid wissen. Er hüllt sich in Schweigen. Foto: dapd

© dapd

Vatileaks: Verrat im innersten Zirkel

Die Affäre im Vatikan ist so illuster, dass die Medien sie "Vatileaks" tauften. Einen Namen gibt es also schon einmal - aber wer sind die Schuldigen: Die Haushälterin, die seit 14 Jahren an der Seite des Papstes lebt? Oder ein Bischof, der seinen Neid nicht im Zaum halten konnte?

Nach sechzig Tagen Untersuchungshaft ist Paolo Gabriele wieder daheim bei seiner Frau und den drei Kindern. Gefangen bleibt der gefeuerte Butler des Papstes trotzdem: Er, der früher so Redselige, darf mit niemandem reden. Die Mauern des Vatikans, hinter denen zu leben für ihn bisher ein Privileg war, darf Gabriele nicht verlassen. Und in den nächsten Wochen wird ein päpstlicher Untersuchungsrichter entscheiden, ob er ein Strafverfahren gegen den 46-jährigen Italiener eröffnet. Vom Schreibtisch Benedikts XVI. soll Gabriele eine Unmenge vertraulicher Dokumente gestohlen und sie Journalisten zugespielt haben. Höchststrafe bei Verurteilung: sechs Jahre Gefängnis.

Der Fall beschäftigt Italiens Medien seit Jahresbeginn. Die geheimen Dokumente galten als Hinweise auf eine Palastrevolution – gerichtet vor allem gegen Benedikts Vertrauten, den umstrittenen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone sowie gegen Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein. Nur halten alle Beobachter es für unwahrscheinlich, dass der offenbar etwas unbedarfte Ex-Butler Gabriele den Dokumentenklau allein organisiert haben soll. Zeitgleich mit den juristischen Ermittlungen hat auch die vom Papst eingesetzte dreiköpfige Kardinalskommission ihre Untersuchung abgeschlossen. Beim Verhör von dutzenden hohen und höchsten Würdenträger der Kurie hat sie Gabrieles Hintermänner wohl gefunden. „Überraschungen“ waren angekündigt – aber den Bericht der Kardinäle kennt vorerst nur der Papst.

So wies Vatikansprecher Federico Lombardi am Montag „entschlossen und vollumfänglich“ einen deutschen Pressebericht zurück, der ausgerechnet zwei der allerengsten Vertrauten Benedikts zu den Hauptverrätern stempelt. Ein „Abgrund von Neid und persönlicher Eifersucht“, so heißt es in der Zeitung „Die Welt“, habe Joseph Ratzingers einstige Haushälterin Ingrid Stampa sowie seinen früheren langjährigen Privatsekretär Josef Clemens dazu gebracht, „bei, vor oder hinter Gabriele“ zu stehen.

Die Haushälterin hatte 14 Jahre lang mit Kardinal Ratzinger in einer Hausgemeinschaft zusammengelebt. Sie verkrafte es nicht, dass der heutige Papst „anderen womöglich mehr vertraut als ihr“, heißt es in dem Bericht. Der andere – der heutige Kurienbischof Clemens, der 19 Jahre lang Privatsekretär Ratzingers war – halte seinen Nachfolger Georg Gänswein für unfähig und sei nicht mehr in der Lage, den eigenen, „geradezu irrationalen Neid im Zaum zu halten“. Dritter im Verschwörungsbunde soll – neben diesen beiden Deutschen – ein italienischer Kardinal sein, der früher für Johannes Paul II. Reden schreiben durfte. Als er altershalber 2011 seinen Rücktritt einreichte, soll Benedikt das Gesuch „umstandslos angenommen“ haben.

So schreibt es der Rom-Korrespondent der „Welt“, Paul Badde, der sich in den vatikanischen Intrigen gut auskennt: Privat gibt er das „Vatikan-Magazin“ heraus, eine papstfromme, anti-linke, theologisch konservative Illustrierte, mit der er sich im Kirchenstaat Freunde gemacht und Türen geöffnet hat. Badde würde wohl niemals namentlich Personen aus Benedikts engstem Bekannten- und Freundeskreis anschwärzen, wenn er nicht etwas Konkretes in der Hand hätte. Kurioserweise ist die Motivation bei Badde die gleiche wie bei seinen drei Hauptverdächtigen und bei Paolo Gabriele. Alle, so sagen sie, wollen dem Papst nur helfen.

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