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Krümmel

© dpa

Vattenfall: Mit der Sensibilität eines Bulldozers

AKW-Betreiber Vattenfall gerät nach den Pannen im Atommeiler Krümmel weiter in Bedrängnis. In einem neuen Bericht räumt der Konzern nun erstmals Kommunikationsprobleme auf der Leitwarte des Meilers ein.

250 Seiten stark ist der Zwischenbericht über die Vorfälle im Atommeiler Krümmel. Minutiös schildert Betreiber Vattenfall in dem Papier die Pannen des 28. Juni. Leser ohne Kerntechniker-Ausbildung dürften sich schwer tun mit Passagen wie: "Die angeregte Langzeitumschaltung für die Blockschienen 1BA-4BD führte zunächst bestimmungsgemäß zum Ausschalten der beiden in Betrieb befindlichen Reaktorspeisewasserpumpen RL13D301 (2BB) und RL23D101+(3BC)." Eine bemerkenswerte Aussage der Studie ist übrigens, dass sich mehrere Pannenszenarien aus dem Lehrbuch überschnitten. Greenpeace spricht von einer Kette "von menschlichen und technischen Fehlern".

Der Bericht wendet sich an die Atomaufsicht. Sie muss entscheiden, ob der Siedewasserreaktor östlich von Hamburg nach den Pannen im Kraftwerk und diversen Störfällen bei der Öffentlichkeitsarbeit von Vattenfall wieder ans Netz gehen darf. Nach Experten-Schätzung verliert Vattenfall an jedem Tag, den Krümmel still steht, eine Million Euro.

"Unfähig, richtig zu kommunizieren"

Der Mutterkonzern schließt personelle Folgen unter deutschen Managern nicht mehr aus. "Wir waren unfähig, richtig zu kommunizieren", sagt Chef Lars Göran Josefsson. Gegenüber der "Berliner Zeitung" nannte er die Lage "eine äußerst unglückliche Situation in Deutschland". Er ist Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) während des deutschen G8-Vorsitzes. Nicht nur Josefsson fürchtet um seinen Ruf: Andere Atomkonzerne befürchten, mit in die Imagekrise zu geraten. Das würde Bemühungen zunichte machen, Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern.

Der grobe Ablauf der Zwischenfälle in Krümmel am 28. Juni war bereits bekannt. Klar war, dass der Auslöser der Pannenkette ein Trafo-Brand war, der einen Stromausfall und eine automatische Schnellabschaltung des Reaktors zur Folge hatte.

Offenkundige Pannen

Doch in dem neuen Bericht räumt Vattenfall erstmals offen ein, dass es in der Anlage interne Kommunikationsprobleme gab. Es geht um Ventile, die nach dem Ausfall einer Wasserpumpe den wachsenden Druck im Behälter senken sollten. Der Reaktorfahrer habe zwei von ihnen geöffnet und minutenlang offen gelassen, statt sie abwechselnd zu öffnen und zu schließen, wie dies der Schichtleiter wollte. "Dies wurde von dem Reaktorfahrer so nicht verstanden." Ob es eine direkte und klare Anweisung gab, wird nicht explizit erwähnt. Der Druck im Reaktorbehälter sei in kurzer Zeit stark abgesackt. Und dies ist nur eine der offenkundigsten Pannen an dem Nachmittag. Zudem gibt es Gerüchte, zur Zeit des Unfalls habe eine Feier in der Leitwarte des Kraftwerks stattgefunden.

Nach Bekanntwerden der Pannen wurde zudem öffentlich über einen Verfall der Sicherheitskultur bei Betreiber Vattenfall spekuliert. Das Personal, so hieß, habe eine Reihe von Leitlinien missachtet und Anweisungen falsch verstanden. "Und wir wollen wissen: Was haben die ganzen Leute da gemacht? Und warum waren es so viele?", erklärte ein Sprecher des Kieler Sozialministeriums, Oliver Breuer. Der Kraftwerksbetreiber hatte von bis zu 37 Personen berichtet, die nach dem Alarm im Schaltanlagengebäude waren oder dazustießen. Zehn Mitarbeiter sind im Normal-Betrieb nötig.

Lange gemauert

Nicht nur Umweltschützer werfen den deutschen Vattenfall-Managern vor, zu lange gemauert zu haben. Am vergangenen Freitag verlor die Staatsanwaltschaft die Geduld und verschaffte sich per Durchsuchungsbeschluss Zutritt zur Steuerzentrale des Meilers.

Auch die heftige Kritik von Spitzenpolitikern reißt nicht ab. SPD-Chef Kurt Beck sieht das Vertrauen in den Vattenfall-Konzern schwer erschüttert. "Wir fühlen uns in unserer Position bestätigt: Eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke ist nicht verantwortbar", sagte Beck am Rande des Landesparteitags der bayerischen SPD in Würzburg. Und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte: "Die Firma hat hier die Sensibilität eines Bulldozers an den Tag gelegt." (mit dpa)

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