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Vereinte Nationen: Am Ende eines Krisenjahres

"Er ist jemand, der Spaß daran hat, böse zu sein", sagt ein Diplomat über den amerikanischen UN-Botschafter John Bolton. Erst kippte er Annans Reformpläne, nun will er die Behörde nach den Ideen der USA neuordnen.

New York - Wenn man im UN-Wolkenkratzer in New York ein Fenster öffnet, dann bröckelt eine unansehnliche schwarze Masse aus den Ritzen. «Machen Sie sich keine Gedanken darüber - das ist nur der Asbest», scherzt ein Haustechniker. Das Glashaus am East River müsste dringend renoviert werden. Aber zurzeit ist noch nicht mal klar, wie lange noch die Heizung anbleibt und die Fahrstühle fahren - denn der amerikanische UN-Botschafter John Bolton will den Geldhahn zudrehen.

Die Verhandlungen über den Zwei-Jahres-Etat werden traditionell am 23. Dezember abgeschlossen. Doch diesmal steht in den Sternen, ob rechtzeitig eine Einigung erzielt werden kann. «Ich habe noch nie eine so schlechte Stimmung bei den Vereinten Nationen erlebt», sagt ein westlicher Diplomat, der nicht genannt werden will. «So viel Aggressivität, so viel Frustration. Das könnte die schlimmste Krise in der Geschichte der UN werden. Wenn der Haushalt nicht verabschiedet wird, dann gehen bei den UN die Lichter aus. Und das ist vor allem die Schuld unseres Freundes Bolton.»

Während US-Präsident George Bush seit einiger Zeit diplomatischer auftritt und um Verbündete wirbt, zeigt sich sein schnauzbärtiger Gesandter noch unerbittlich. Wenn es nach ihm ginge, so meinen böse Zungen, hätte der Weltsicherheitsrat nur ein einziges ständiges Mitglied - die USA. Auf die Frage, was ihm bei den Vereinten Nationen gefalle, sagte er kürzlich: «Es gibt da sehr viele lohnende Angriffsziele.»

So neigt sich ein Krisenjahr dem bitteren Ende zu. Erst vier Jahre ist es her, seit die UN und ihr Generalsekretär Kofi Annan den Friedensnobelpreis bekamen. 2005 sollte als Reformjahr in die Geschichte eingehen. Doch der große Reformgipfel im September scheiterte kläglich, weil Bolton Annans Modernisierungsplan kippte und für sein eigenes Programm keine Mehrheit fand.

Seitdem herrscht Stillstand im 38-stöckigen Hauptquartier. Das findet nicht nur Bolton schlecht, das kritisieren auch andere. Nur ist etwa die Europäische Union radikal dagegen, deshalb kurzerhand den Etat zu blockieren. Genau das aber will Bolton tun, wenn sich die anderen 190 Länder nicht noch vor Jahresfrist mit weit reichenden Änderungen einverstanden erklären. Unter anderem will er die Machtposition des Generalsekretärs auf Kosten der Vollversammlung verstärken. Dies nährt bei vielen Ländern den Verdacht, die USA wollten im nächsten Jahr einen ihnen genehmen Annan-Nachfolger durchsetzen und auf diese Weise die Geschicke der Organisation kontrollieren.

Auch enge Verbündete Amerikas fragen sich, ob es Bolton wirklich darum geht, die Vereinten Nationen zu reformieren oder ob er sie zu Grunde richten will. «Bolton ist sehr intelligent, und er kann auch charmant sein, aber er ist jemand, der Spaß daran hat, böse zu sein», sagt ein Diplomat, der ihn seit vielen Jahren kennt. Fest steht, dass Bolton keinen Hehl daraus macht, wie gut er sich eine Welt ohne die UN vorstellen kann: «Für die Amerikaner sind die UN nicht mehr als ein Anbieter auf dem Markt für globale Problemlösungen», sagt er. «Wenn sie erfolgreich sind, könnten sie (die Amerikaner) dazu neigen, sie zu nutzen. Wenn nicht, werden sie fragen: Gibt es da noch andere Institutionen?» Welche das sein sollen, bleibt sein Geheimnis. (Von Christoph Driessen, dpa)

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