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Politik: Verfassung: instabil

Machtkampf in Kabul vor der Abstimmung über das Grundgesetz

Afghanistan, so scheint es, kann einfach nicht ohne Burhanuddin Rabbani. Er stand Anfang der Neunzigerjahre an der Spitze einer Regierung aus einstigen Mudschahiddin-Führern, deren Machtkampf zum Bürgerkrieg und schließlich zur Herrschaft der Taliban führte. Und nun ist ausgerechnet Rabbani die Schlüsselfigur in der anstehenden Neuordnung des zerrütteten Landes.

Diese hat schon begonnen: Die neue afghanische Verfassung soll im Dezember von 500 Delegierten bestätigt werden. Die ersten von ihnen wurden wegen des frühen Wintereinbruchs bereits am vergangenen Dienstag gewählt: Im Bergland Badachschan in Nordosten – der Heimat von Rabbani. Der Ex-Präsident dürfte auch beim Verfassungskonvent für Unbequemlichkeit sorgen. Die Abstimmung über das Grundgesetz, ein umstrittener Kompromiss zwischen Urislam und Moderne, ist nur die Generalprobe für die entscheidende Runde beim Machtpoker am Hindukusch. Laut Friedensplan der Bonner Afghanistan-Konferenz sollen im Juni Wahlen stattfinden, bei denen Interimspräsident Hamid Karsai – mit Hilfe der USA an die Macht gehievt – nicht einmal auf Unterstützung der eigenen Regierung zählen kann.

Schon Anfang Oktober hatte sich die Führung der einstigen Nordallianz – ethnische Tadschiken, die im Kabinett des Paschtunen Karsai sämtliche Schlüsselressorts besetzen – auf einen eigenen Präsidentschaftskandidaten verständigt: Mudschahidin-Präsident Rabbani. Nach seiner Ablehnung der Bonner Beschlüsse hatten ihn eigene Gefolgsleute um den gegenwärtigen Vizepräsidenten und Verteidigungsminister Fahim zum Verzicht auf alle Ämter gezwungen. Eben dieser holte ihn nun jedoch wieder ins Boot. Formell, weil Karsai, wie das „Organ“ der einstigen Mudschahiddin schrieb, bei nationaler Aussöhnung und Wiederaufbau versagte.

Die Wahrheit jedoch liegt in der neuen Verfassung und dem neuen Parteiengesetz. Das untersagt Militärs und „Personen mit Verbindungen zu bewaffneten Einheiten“ die Gründung politischer Vereinigungen. Fahim aber untersteht neben der Armee auch ein irreguläres Kontingent der Nordallianz. Dazu kommt, dass die neue Verfassung dem Premier – das Amt fällt dem Zweitplatzierten der Wahlen zu – kaum Machtbefugnisse lässt, schon gar nicht über die Armee. Über das Parteiengesetz könnte jedoch auch Rabbani noch stolpern. Seiner paramilitärischen Bewegung Jamiat-e-islami droht die Zulassungsverweigerung. Dann wäre eine Neuauflage des Bürgerkriegs nur eine Zeitfrage.

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