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Autonom in Aktion. Die linke Szene – hier Aktivisten am Rande einer Dresdener Neonazi-Demo – ist auch intern individualistisch. Hilfe für Aussteiger sei unnötig, meinen Experten.

© dpa

Verfassungsschutz: Aussteigerprogramm für Linksextremisten

Ein neues Projekt des Verfassungsschutzes soll Linksextremisten den Ausstieg erleichtern – Fachleute sind skeptisch. Linksextreme würden beim Ausstieg aus der Szene eher nicht bedroht.

„Wirklich guter Witz.“ So kommentiert ein User des linken Blogs "Indymedia" die Meldung über das neue Aussteigerprogramm des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dort können sich seit Anfang Oktober aussteigewillige Linksextreme per Mail oder Telefon melden. Nach individueller Beratung sollen sie unter anderem Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche erhalten. Zielgruppe sind Personen, die sich grundsätzlich vom linksextremistischen Milieu lossagen wollen. Dabei ist es nach Angaben des Amts egal, ob sie dem gewaltbereiten Spektrum angehörten oder nicht. Bisher gab es solche Aussteigerprogramme nur für Rechtsextreme und Islamisten. Mitte 2010 hatte das Familienministerium unter Kristina Schröder (CDU) beschlossen, Angebote für Linksextremismus und islamistischen Extremismus anzubieten, die in dem Programm „Initiative Demokratie stärken“ zusammengefasst wurden.

„Wir halten es für wichtig, Aussteigewilligen, Verwandten und Freunden von Linksextremisten unsere Hilfe und Unterstützung anzubieten. Jeder Aussteiger aus der linksextremistischen Szene ist ein Gewinn für die innere Sicherheit“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Während dies das neue Aussteigerprogramm bewirbt, gibt das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer Pressemitteilung bereits zu Beginn des Projektes zu, dass die Resonanz in der linksextremistischen Szene wohl eher verhalten sein werde. Angaben über Teilnehmer oder deren bisherige Anzahl wollen die Staatsschützer nach so kurzer Zeit noch nicht machen.

Der Gewalt- und Konfliktforscher Peter Imbusch beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem Thema Linksextremismus. Für ihn steckt hinter dem Aussteigerprogramm nicht mehr als „Symbolpolitik“ und „reiner Aktionismus“. Dabei würden die Unterschiede, die zwischen Links- und Rechtsextremismus bestünden, außer Acht gelassen. „Rechtsextreme sind eine homogene Gruppe, in der der Druck auf den Einzelnen sehr groß ist.“ Linksextreme seien viel heterogener, autoritäre Strukturen gebe es da kaum. „Wer keine Lust mehr hat, geht einfach“, sagt er. Der Wissenschaftler glaubt nicht, dass Hilfsangebote, wie etwa die Telefonhotline, lange Bestand haben werden.

Wenn es nach dem sicherheitspolitischen Sprecher der Bundestags-Grünen Wolfgang Wieland geht, gehört die Leitung zum Verfassungsschutz „sofort abgeschaltet“. Ihm sei kein Fall bekannt, bei dem jemand, der die linke Szene verlassen habe, verfolgt oder bedroht worden wäre. Dass ein Linker beim Bundesamt für Verfassungsschutz anruft und um Hilfe bittet, bezweifelt er.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken, hat ihre eigene Theorie zur Motivation des Aussteigerprogramms. Ihr Vorwurf: Durch das Hilfsangebot sollten V-Leute angeworben werden, um Zugang zur linken Szene zu erhalten. Der Wissenschaftler Imbusch hält dagegen: Zwar sei es für Staatsschützer tatsächlich schwerer, Zugang zur linken als zur rechten Szene zu bekommen, das Hilfsangebot ändere daran aber sicher nichts. „Jetzt stellen Sie sich mal einen Aussteiger vor, der plötzlich zurück in seine alte linke Gruppe kommt und sagt, er möchte doch wieder mitmachen. Das ist ein ziemlich naiver Gedanke.“

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