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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Hans-Georg Maaßen.

© dpa

Verfassungsschutzbericht 2012: Friedrich sieht große Gefahr durch Salafismus

Deutschland steht laut dem Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen noch immer im Visier des islamistischen Terrors. Bundesinnenminister Friedrich bereitet vor allem der Salafismus Sorge und die Konfrontation mit dem Rechtsextremismus. Fragen wirft der Verfassungsschutzbericht aber noch bei einem ganz anderen Thema auf.

Nach Angaben von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wird der Salafismus in Deutschland zu einem immer größeren Problem. Davon gehe ein erhebliches Gefahrenpotenzial aus, sagte Friedrich bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 am Dienstag in Berlin. Demnach ist die Zahl der Salafisten in Deutschland von 3800 (2011) auf 4500 Personen im Jahr 2012 gestiegen. Insgesamt gibt es laut dem Bericht 42.500 Islamisten in Deutschland. Allerdings schränkte Maaßen ein: "Das heißt nicht, dass wir 42.000 islamische Terroristen in Deutschland haben, nur ein Bruchteil davon ist gewaltbereit." Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sprach von rund 1000 gefährlichen Personen in diesem Zusammenhang und von rund 130 Personen, "die besondere Sorge machen und rund um die Uhr beobachtet werden". Deutschland, so Maaßen, stehe nach wie vor im Visier des islamistischen Terrors. Der Salafismus sei nicht per se mit Terrorismus gleichzusetzen, aber er sei vor allem in Deutschland eine Durchgangsstation auf dem Weg zum Terrorismus.

Maaßen bereitet vor allem die Reisebewegung von Salafisten und Islamisten in verschiedene Kampfgebiete Sorgen. Im vergangenen Jahr sei Ägypten das Hauptziel gewesen, um von dort weiter nach Mali, Somalia oder Jemen zu kommen. In diesem Jahr sei Syrien das Hauptziel. Friedrich sprach zuletzt von 50 deutschen Islamisten in Syrien. Maaßen erhöhte jetzt die Zahl auf 60. "Zusätzlich sitzen gewissermaßen 20 Leute auf gepackten Koffern." Eine Ausreise zu verhindern sei schwierig, weil man recht leicht über die Türkei nach Syrien komme. Der BfV-Präsident rechnet damit, dass viele zurückkehren nach Deutschland - "deutlich radikalisiert und möglicherweise sogar mit Kampfauftrag".

Zwar habe es in Deutschland noch keine Anschläge wie zuletzt in Boston gegeben, aber sowohl der Mordanschlag des Kosovaren Arid Uka auf zwei US-Soldaten im März 2011 am Frankfurter Flughafen als auch der versuchte Anschlag am Bonner Hauptbahnhof Ende vergangenen Jahres seien Beleg für die veränderte Struktur. Nicht mehr allein Großorganisationen wie Al Qaida seien eine Gefahr, sondern es finde eine zunehmende Individualisierung des Dschihad statt, also mehr Einzeltäter und Kleinstgruppen. Auch würden als Begründung für Anschläge in Deutschland nicht mehr externe Argumente aufgeführt, also beispielsweise der Bundeswehreinsatz in Afghanistan, sondern die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Ablehnung der Scharia in Deutschland.

Sowohl Maaßen als auch Friedrich betonten, dass vor allem die Konfrontation zwischen Islamismus und Rechtsextremismus in Deutschland Sorge bereite. Beide Szenen würden sich gegenseitig hochschaukeln. Als Beleg führen sie den versuchten Mordanschlag auf den Chef der rechtsextremen Pro NRW-Bewegung Markus Beisicht an. Auch die Auseinandersetzungen zwischen pro NRW und Salafisten seien ein Beleg dafür.

Die Zahl der rechtsextremen Personen in Deutschland sei zwar insgesamt rückläufig. Der Verfassungsschutzbericht 2012 führt 22150 rechtsextreme Personen auf. 2011 waren es noch 22400 und im Jahr 2000 sogar 50900. "Aber die Gewaltneigung nimmt stetig zu", sagte Maaßen. Demnach ist jeder zweite Rechtsextremist in Deutschland auch gewaltbereit. Dass sich die rechte Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zum großen Vorbild in der Szene etablieren könnte, sieht Maaßen nicht. es gebe nur ein geringeres Personenpotenzial, das die Taten gut heiße. "Aber ein paar gibt es."

Sowohl im Bereich des Salafismus als auch im Bereich des Rechtsextremismus bereitet Maaßen das Internet zunehmend "Kummer". Da müsse das BfV besser aufgestellt und die Analysefähigkeit optimiert werden. "Über das Netz wird nicht nur Propaganda betrieben, sondern auch rekrutiert."

Im Zusammenhang mit der Präsentation des Verfassungsschutzberichts erklärte Maaßen, dass er von den Späh-Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes NSA nichts gewusst habe. "Ich wünsche mir ein solches Instrument auch nicht für Deutschland", sagte Maaßen. Innenminister Friedrich verwies ebenfalls darauf, dass man nur die Presseberichte kenne. "Wir arbeiten derzeit an einem umfassenden Fragenkatalog an die amerikanischen Kollegen und wenn wir mehr wissen, können wir den Vorgang auch bewerten", sagte Friedrich.

Der Innenminister wollte aber trotz der seiner Auskunft nach noch dünnen Erkenntnislage nicht ausschließen, dass auch deutsche Sicherheitsbehörden indirekt von Informationen profitiert haben, die durch das umstrittene US-Spähprogramm gewonnen wurden. Schließlich habe Deutschland zuletzt gute und zuverlässige Geheimdienstinformationen aus den USA erhalten, die auch schon Anschläge verhindert hätten. Aus welcher Quelle diese Informationen stammten, werde aber nicht mitgeteilt. Dies entspreche den Gepflogenheiten beim Austausch der Geheimdienste, erklärte Friedrich und betonte, dass auch deutsche Sicherheitsdienste keine Quellen preisgeben würden.

Der 29-jährige Edward Snowden hat über die Ausspäh-Praktiken amerikanischer Geheimdienste im Rahmen des Prism-Programms berichtet und ist nun untergetaucht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will diesen Vorgang auch beim Besuch des US-Präsidenten kommende Woche in Berlin thematisieren.

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