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Politik: Verfolgte Sinti und Roma standen in der Gedenkstätte Sachsenhausen im Mittelpunkt des Gedenkens

Ganz zuletzt legen Miriam, Ulrike und die anderen Schüler des Freien Gymnasiums Nauen ihre Rosen an der Station Z nieder. Dafür haben sie eine Stunde lang in der Kälte gestanden, auf das Eintreffen der Delegationen gewartet und die langen, manchmal stockenden Reden angehört.

Ganz zuletzt legen Miriam, Ulrike und die anderen Schüler des Freien Gymnasiums Nauen ihre Rosen an der Station Z nieder. Dafür haben sie eine Stunde lang in der Kälte gestanden, auf das Eintreffen der Delegationen gewartet und die langen, manchmal stockenden Reden angehört. Einige Passagen hätten sie schon berührt, räumt eine Schülerin zögernd ein. "Sehr bedrückend", sagt Miriam. Dann müssen alle zum Bus. Die Projektwoche zum Thema "KZ Sachsenhausen" ist vorbei.

Zum 55. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz fand sich gestern auch das "offizielle Brandenburg" in der Gedenkstätte Sachsenhausen ein, um in diesem Jahr besonders an die Opfer der Sinti und Roma zu erinnern und eine Sonderausstellung zum gleichen Thema zu eröffnen. Innenminister Schönbohm war gekommen, Kulturminister Hackel und Bildungsminister Reiche, Vertreter von Opferverbänden und der Botschaften Polens, Tschechiens, der Ukraine und Belgiens. Eine halbe Million Sinti und Roma wurden in den Arbeits- und Vernichtungslagern der Nazis umgebracht. Unter den 6000 Menschen, die 1938 nach einer Razzia in das Lager Sachsenhausen gebracht wurden, waren rund 500 Sinti und Roma. Ihr weiteres Schicksal ist oft unbekannt, da die Registrierung der Nazis oft nur die Kategorien "Juden" und "Asoziale" kannte und viele Akten vor Kriegsende beseitigt wurden. Nach dem Krieg wurde die Diskriminierung der "Zigeuner" fortgesetzt - diesmal in der Wahrnehmung als Opfergruppe. Bis zum Fall der Mauer blieb ihnen die Anerkennung in der DDR verwehrt. In der Bundesrepublik wurde sich erst in den achtziger Jahren eine breitere Öffentlichkeit gewahr, dass im Dritten Reich nicht nur Juden und Kommunisten umgebracht wurden. Mit dem gestrigen Gedenktag sollte ein Zeichen gesetzt werden, mit der bisher praktizierten Opferhierarchie endlich Schluss zu machen.

Landtagspräsident Herbert Knoblich blieb jedoch skeptisch. Als Beleg führt Knoblich das "unrühmliche Feilschen" um die Zwangsarbeiter-Entschädigung an. Das Erinnern dürfe nicht aufhören, und gerade Jugendliche müssten durch Zeitzeugen-Gespräche und Besuche von Original-Schauplätzen "emotional" angesprochen werden. Geht das überhaupt? Der Berliner Otto Rosenberg, Überlebender von Sachsenhausen und Auschwitz, weiß nicht mehr, wie oft er seine Lebensgeschichte schon erzählt hat. "Was wir durchlitten haben, kann man eigentlich nicht beschreiben. Es zerfällt in Episoden und Geschichten." Rosenberg, dessen gesamte Familie im Dritten Reich umkam, wurde schon 1936 in Marzahn interniert. Als er nach neun Jahren Zwangsarbeit befreit wurde, war er 18 Jahre alt - eine verlorene Jugend. Der Ort der Erinnerung, die von einer gigantischen Betondecke eingerahmten Ruinen von Krematorium und Gaskammer, lässt in seiner monimentalen Tristesse kaum andere Gefühle als Trauer und Beklommenheit zu. Aber auch die Gedenkstätte zerfällt, darf wegen Einsturzgefahr nicht betreten werden. Als alle Kränze zu einem dichten Blumenrondell zusammen rücken, formt sich kurz ein Gefühl von Leben an dieser erbarmungslosen Stätte.

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