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Politik: Vergänglichkeit

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Künstlern spricht man ja die Fähigkeit zu, in ihren Werken die Realität zuweilen so darstellen zu können, dass sie ihre Betrachter zu tiefsinnigen Deutungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verführen. Sind solche Kunstwerke erst einmal Gegenstand des öffentlichen Raumes, lösen sie häufig Kontroversen aus.

Von Antje Sirleschtov

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Künstlern spricht man ja die Fähigkeit zu, in ihren Werken die Realität zuweilen so darstellen zu können, dass sie ihre Betrachter zu tiefsinnigen Deutungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verführen. Sind solche Kunstwerke erst einmal Gegenstand des öffentlichen Raumes, lösen sie häufig Kontroversen aus. Entziehen kann man sich ihnen jedoch nicht.

Glaubt man. Niemand Geringeres als die Verwaltung des Bundestages selbst erwägt nun, sich eines Kunstwerkes zu entledigen, das nicht nur Kontroversen, sondern sogar die offene Missbilligung seiner Betrachter auf sich zieht. Eine größer werdende Zahl von Bundestagsabgeordneten und Mitarbeitern der Verwaltung, deren Büros sich um den nördlichen Innenhof des Paul-Löbe-Hauses gegenüber des Bundeskanzleramtes gruppieren, ärgern sich. Als sie vor einigen Monaten ihre Arbeitsräume bezogen, herrschte noch eitel Glückseligkeit. Holz und warme Teppiche brachten Gemütlichkeit, große Fenster Licht und Sonne im politischen Alltagsgeschäft. In der unteren Etage versprachen raumhohe Fenstertüren die Büronutzer im Frühjahr und Sommer sogar zu Pausenspaziergängen einzuladen. Und weil die Errichtung der Parlamentsgebäude in der Berliner Mitte ja bekanntlich seit Jahren den Gesetzen des Vergänglichen und Unfertigen folgt, nahm auch niemand daran Anstoß, dass die Bauarbeiter auf der Rasenfläche offenbar einen großen Haufen Schalung für Betonwände vergessen hatten.

Bis, ja bis der Erste feststellen musste, dass „Vergänglichkeit und Unfertigkeit“ nicht der Schusseligkeit von Bauwerkern entspringt, sondern der Name einer stählernen Raum- Skulptur der Berliner Künstlerin Franka Hörnschemeyer ist. Sie hat aus den eisernen Beton-Schalteilen ein gewaltiges Labyrinth geformt, dessen Gestalt an die Hundezwinger an der einstigen innerdeutschen Grenze erinnern soll. Weil die Betrachter aber lieber im Grünen lustwandeln, als sich mit den Lebensumständen sozialistischer Schäferhunde zu befassen, fordern sie nun in erbosten Briefen die Entfernung des Vergänglichen und Unfertigen. Und das wahrscheinlich sogar mit Erfolg.

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