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Politik: Verhandlungssache

Innenminister Schily hält an Kaplans Abschiebung fest – doch dafür benötigt er zusätzliche Garantien aus Ankara

Von Thomas Seibert, Hans

Monath und Robert von Rimscha

Raus darf er nicht, behalten will ihn aber auch keiner – was also soll mit Metin Kaplan, dem selbst ernannten „Kalifen von Köln“ geschehen? Einen Tag, nachdem das Kölner Verwaltungsgericht die Causa Kaplan per Urteil in einen Schwebezustand versetzt hat, übten Politiker aller Parteien heftige Kritik an den Richtern. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nannte es ungeheuerlich, dass Deutschland einerseits mit der Türkei über deren EU-Beitritt verhandle, auf der anderen Seite aber „ein Schwerverbrecher dorthin nicht abgeschoben werden“ könne. Stoiber forderte laut „Bild“ Innenminister Otto Schily (SPD) auf, er solle „umgehend von der Regierung in Ankara rechtsstaatliche Garantien einholen“, damit der Islamistenführer endlich abgeschoben werden könne.

Genau dies will das Innenministerium längst getan haben. Man habe „alles ausverhandelt“, sagte eine Sprecherin Schilys am Donnerstag. Die zuständigen türkischen Stellen hätten „mehrfach zugesichert, dass ein rechtsstaatliches Verfahren sichergestellt ist“. Natürlich gelte weiter, dass auch aus Sicht des Schily-Ministeriums Kaplan „nicht erwünscht ist auf deutschem Boden“. Der Minister werde weiterhin alles dafür tun, dass Kaplan Deutschland verlassen müsse. Die Juristen im Innenministerium weisen indes darauf hin, dass für Auslieferungen das Justizministerium zuständig sei. Für die Bewertung angeblicher Abschiebungshindernisse, juristisch ein völlig anderer und nun der aktuelle Vorgang, sei schon gar nicht das Innenministerium zuständig. Hier seien die vom Auswärtigen Amt abgegebenen Lageeinschätzungen entscheidend.

FDP-Chef Guido Westerwelle forderte Schily auf, „unverzüglich“ in die Türkei zu reisen, um dort Garantien für ein rechtsstaatliches Verfahren gegen Kaplan zu erwirken: „Diese Bundesregierung will die Türkei zum Mitglied der EU machen. Sie sollte sicherstellen können, dass Kaplan in der Türkei ein Verfahren erhält, das den Maßstäben der EU entspricht.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, warnte davor, das Gericht für das unerfreuliche Ergebnis verantwortlich zu machen. „Jeder, dem der Rechtsstaat wichtig ist, muss sich über das Ergebnis ärgern“, sagte Beck dem Tagesspiegel. Das Gericht habe aber völlig korrekt gehandelt, wenn es zu dem Schluss komme, dass Kaplan in der Türkei kein rechtsstaatliches Verfahren erwarte. „Die Türkei muss sich endlich an das Folterverbot halten und an das Verwendungsverbot für nicht rechtsstaatlich erhobene Beweise“, forderte der Grünen-Politiker. Beck bekräftigte, dass die Garantie rechtsstaatlicher Verfahren durch die Türkei nicht nur für den Fall Kaplan, sondern auch für den Beitritt des Landes zur EU von großer Wichtigkeit sei.

Sollte Kaplan trotz der jüngsten Gerichtsurteile in Düsseldorf und Köln dereinst doch nach Ankara abgeschoben werden, könnte er von den jüngsten europapolitischen Reformen dort profitieren. Im Juni votierte das türkische Parlament für eine Verbesserung der Rechte von Beschuldigten, die sich vor den Staatssicherheitsgerichten zu verantworten haben; vor einem dieser für politische Straftaten zuständigen Sondergerichte müsste sich auch Kaplan verantworten. Die Gesetzesänderung verschafft Verdächtigen vor Staatssicherheitsgerichten das Recht, umgehend mit einem Anwalt zusprechen; ohne Anwalt abgelegte Aussagen werden nicht mehr als Beweismittel anerkannt. Damit soll verhindert werden, dass Geständnisse erpresst werden. Im Fall Kaplans könnte dies bedeuten, dass die möglicherweise unter Folter entstandenen Zeugenaussagen, auf die die deutschen Richter das Verbot von Kaplans Ausweisung stützten, als Beweismittel nicht herangezogen werden könnten.

Da die Todesstrafe in der Türkei schon vergangenes Jahr abgeschafft wurde, steht einer Auslieferung des terrorverdächtigen Religionsführers aus Sicht Ankaras nichts mehr im Wege. Zwar gibt es auch seit Abschaffung der Todesstrafe keinen Automatismus bei der Auslieferung; eine „reale Foltergefahr“, könnte weiter gegen die Auslieferung des Betroffenen sprechen. Sicherheitsgarantien der türkischen Seite könnten jedoch zu beschaffen sein. Schon vor der Ächtung der Todesstrafe war die türkische Regierung zu rechtsstaatlichen Garantien in ähnlichen Fällen bereit.

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