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Eine der verhüllten Statuen in Rom.

© dpa

Verhüllte Statuen bei Ruhani-Besuch: Die spinnen, die Römer

Für den iranischen Präsidenten wurden in Rom Statuen ummantelt. Wie eilig und beflissen dies geschieht, weckt Unbehagen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Es war am 27. Dezember 2015. An dem stillen Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr sind wir mal wieder ins Bode-Museum gegangen, in dieses oft zu wenig besuchte Kleinod am Rande der Großbaustelle Berliner Museumsinsel. Mit am schönsten sind dort im Erdgeschoss – gleich rechts von der prunkvollen Eingangshalle – die wegen ihres unauffälligen Eingangs fast ein wenig versteckt gelegenen Säle mit der italienischen Skulptur- und Bildkunst aus Mittelalter und Renaissance. Irgendwann fällt zwischen all den überwiegend christlich-sakralen Werken (von Giovanni Pisano, Donatello, Luca della Robbia) eine junge Frau auf, in Jeans und mit Kopftuch, die bei einem Museumswärter erfolglos um Rat sucht.

Es gibt offenbar Verständigungsschwierigkeiten, und ich biete an, dabei zu helfen. Die ausländische Muslima spricht etwas Englisch, und nach kurzem Hin und Her wird klar: Ihr ist aufgefallen, dass bei der Bezeichnung zu einzelnen Exponaten mal von „Maria“, mal von einer „Madonna“ die Rede ist. Ob das zwei verschiedene heilige Frauen seien.

Eine Begegnung im Museum

Die scheinbar naive Frage verblüfft und ist voll kluger Aufmerksamkeit für die vielleicht neue, fremde Kultur. Übrigens fällt auch später bei diesem Rundgang durch das Museum auf, dass nicht wenige als Muslima erkennbare Frauen und junge arabische Männer unter den Besuchern sind. Sie wirken entspannt, erstaunlich neugierig – obwohl eine poppig-witzige Ausstellung wie die „Botticelli Renaissance“ gewiss unterhaltsamer wäre als die Begegnung mit so vielen Gekreuzigten, von der Verkündigung still beseelten Madonnen und Märtyrern/innen. Dass Christi Geburt und Tod sowie allerlei Martern den Künstlern auch in offiziell prüden Zeiten reichlich Gelegenheit boten, entblößte Marienbusen (beim Stillen des Jesusknaben) oder nackte Leiber darzustellen, hat niemanden gestört in der Begegnung unterschiedlicher Kulturen.

Nur eine Frage: Hätten wohl die Pegida-Anhänger, die das christliche Abendland verteidigen, besser als jene fremde Besucherin Bescheid gewusst über eine „Maria Annunziata“?

Mir ist das Erlebnis freilich wieder eingefallen angesichts des Empfangs für den iranischen Staatspräsidenten Hassan Ruhani in Rom. Da wurden einige nackte antike Statuen im Kapitolinischen Museum eigens mit Karton ummantelt, auch die weltberühmte, mit der Hand vorm Schoß schon etwas verschämte hellenistische Nachbildung der Venus des Praxiteles. Nachdem es vom Iran milliardenschwere Aufträge für die notleidende italienische Industrie gegeben hatte, wurde beim Staatsbankett dann sogar noch auf jeglichen Wein verzichtet.

Angesichts des politisch-kulturellen Kotaus hat sich natürlich auch in Italien ein Sturm des Protests erhoben. Und Matteo Renzi, der sonst so forsche und alles bestimmende Ministerpräsident, will von der ganzen Sache vorab nichts gewusst haben, so wenig wie sein Kulturminister; es habe sich um einen protokollarischen „Exzess“ gehandelt.

Ruhani, ein gebildeter Mann, mag selber gedacht haben, die spinnen, die Römer. Doch trotz aller Reformansätze und dem Abschluss des Atom-Kontrollvertrags: Hier tritt noch immer der Repräsentant eines Staates auf, der Frauenrechte und Meinungsfreiheit missachtet, der neben China die meisten Todesurteile fällt und besonders grausame Hinrichtungen (auch an Kindern und Jugendlichen) vollzieht; der offiziell noch immer den Staat Israel ausradieren möchte und in Syrien den Tyrannen Assad unterstützt.

Kein Respekt vor der Barbarei

Die Devotheit gegenüber Despoten, ob Schah oder Mullah, ob Wüstenkönig, verblichene KP-Generalsekretäre oder autoritäre Präsidenten, sie ist nichts Neues. War’s auch nicht in Bonn und ist’s nicht in Berlin. Doch über das, was an Selbstverleugnung in Rom geschehen ist, dachten wir 2016 endlich hinaus zu sein. Besonders im Austausch und wechselseitigen Respekt der Kulturen.

Was freilich nicht heißt, dass zur Kultur auch ihr Gegensatz zählt: die Barbarei. Respekt für die Verletzung von Menschenrechten, die mit dem Hinweis auf angebliche kulturelle Eigenarten und historische Traditionen verharmlost werden, darf es nicht geben. Wenn ein Mensch erniedrigt, seiner Freiheit beraubt und gefoltert wird, dann spürt den Schmerz ein Iraner, ein Chinese, ein Saudi nicht anders als ein Franzose, Deutscher oder Isländer. Schon deshalb sind Menschenrechte: universell. So nützlich die Geschäfte mit dem Iran jetzt sein mögen – wie eilig und beflissen alles geschieht, weckt auch Unbehagen.

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