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Politik: Verkehrte Welt

Der Irakkrieg wird in den USA immer unpopulärer – und stellt die Opposition vor Probleme

Für einen Augenblick haben sich die Fronten verkehrt: Hillary Clinton, die Hoffnung vieler Demokraten für die Präsidentenwahl 2008, wird ausgebuht von der Basis. Und George W. Bush, der in den Umfragen so tief gesunkene Amtsinhaber, erlebt ein kleines Comeback, die Republikaner schöpfen neue Hoffnung für die Kongresswahl in diesem Herbst.

Es geschah bei einer Wahlkampfkonferenz der Demokraten in Washington mit dem Motto „Amerika zurückerobern“. Hillary Clinton würde hier nicht nur auf Jubel stoßen, das machten die Poster der Aktivisten vor dem Hotel klar. Über weite Strecken ihrer Rede erntete New Yorks Senatorin Applaus mit ihrer Kritik an Bushs Innenpolitik und seiner Bilanz im Irak.

Doch dann kam die Stelle, an der sich die Gemüter scheiden: Soll die Partei ein festes Datum für den Abzug aus Irak fordern? Der Krieg ist heute höchst unpopulär in den USA und erst Recht in demokratischen Kreisen. Irak ist ein Hauptmobilisierungsthema im Wahlkampf, vielerorts entscheidet die Haltung dazu, wen die beiden Parteien für die Kongresswahl 2006 aufstellen – und wen für die Präsidentenwahl 2008.

Clinton hat eine differenzierte Position, viele empfinden sie als gespalten. Sie greift Bush wegen der Fehler im Irak an, ist aber gegen eine „Deadline“ für den Rückzug. Den müsse man davon abhängig machen, wie schnell irakische Polizei und Militär Sicherheit gewährleisten können. Bush setze die neue Regierung in Bagdad da nicht genug unter Druck.

Unruhe kommt auf, als Clinton die Passage einleitet: „Ich muss euch jedoch sagen ...“ Laute „Buuuhs“ ertönen, als sie fortfährt: „Ich halte es nicht für klug, ein Datum festzusetzen.“ Mit markigen Angriffen auf Bush und Siegeszuversicht für die Novemberwahl rettet sie sich zum Schlussapplaus. Auf dem Weg aus dem Saal trifft sie auf Sprechchöre: „Stop the war!“ Und „Bring the troops home!“

John Kerry, der 2004 die Präsidentenwahl gegen Bush verlor, hat die Wende bereits vollzogen, die der linke Teil der Basis von Clinton fordert. Der Senator von Massachussetts spricht nach ihr, er nennt seine Stimme für den Krieg einen Fehler. Unter breitem Jubel fordert er „ein hartes und rasches Schlussdatum“ für den Irakeinsatz. 2004 hatte Bush ihn in die Enge getrieben. Er solle bitte erklären, warum er für den Krieg, aber später gegen die Finanzierung gestimmt habe.

Die Uneinigkeit der demokratischen Spitzenpolitiker wird zur großen Bedrohung für ihre Siegchancen. Sie schwanken zwischen Eindeutigkeit und Ehrlichkeit. Differenzierte „Zwar, aber ...“-Positionen kommen nicht gut an, die Basis hätte gerne Schwarz-Weiß-Botschaften, die sie von den Republikanern unterscheiden. Also: Truppen raus! Aber die Parteispitze weiß auch, das Versprechen eines raschen Komplettabzugs wäre eine Lüge.

Im Wahlkampf der Republikaner ist bereits zu hören, wie das Weiße Haus Demokraten zu treiben gedenkt, die ein Abzugsdatum fordern: „Cut and run“-Politiker seien das; Feiglinge, die erst für den Krieg stimmen, aber davonlaufen, wenn es unangenehm wird. Verlässlichkeit ist Bushs Gegenbotschaft. Wenn die USA eine Beistandszusage geben, halten sie die auch ein, hat er beim Überraschungsbesuch in Bagdad Iraks neuem Premier Nuri al Maliki versprochen. Bush kann in diesen Tagen aufatmen, er legt in den Umfragen leicht zu. Topterrorist Sarkawi ist erledigt. Und Karl Rove, Bushs Stratege, muss nicht mehr mit einer Anklage im „Leakgate“-Verfahren rechnen, der Enttarnung einer CIA-Agentin.

Die US-Kommentatoren spekulieren: Ist Bushs Minicomeback von Dauer oder bald vorbei? Und: Zielt Clinton mit ihrer moderaten Haltung bereits auf 2008, will nicht die Linke gewinnen, sondern die Mitte, die sie für ihren Sieg braucht?

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