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Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.

© imago/Future Image/IMAGO/Thomas Bartilla

Unterstützung aus SPD und CDU: Ökonom Hüther warnt vor Arbeitszeitverkürzung für alle

Der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft sieht im Tarifabschluss der GDL kein Vorbild für die gesamte Wirtschaft. Häufig gehe es Beschäftigten um die Qualität der Arbeit und weniger um Zeit, sagt er.

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sieht in einer Verkürzung der Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer erhebliche gesamtgesellschaftliche Risiken. „Wenn wir alle weniger arbeiten, haben wir weniger Wohlstand“, sagte Hüther im „Deutschlandfunk“.

Dies könne entsprechende Verteilungskonflikte in der Gesellschaft zur Folge haben, warnte der Ökonom. So seien mit einer geringeren volkswirtschaftlichen Leistung beispielsweise auch geringere Leistungen in der Pflege verbunden, sagte er.

Die Tarifeinigung bei der Deutschen Bahn auf eine 35-Stunden-Woche für Lokführer hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob eine entsprechende Arbeitszeitverkürzung auch als Modell für andere Berufsgruppen – etwa Erzieherinnen und Pflegekräfte – taugt. Laut dem Tarifabschluss zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft GDL wird die 35-Stunden-Woche für Beschäftige im Schichtdienst stufenweise bis 2029 als flexibles Wahlmodell eingeführt. 

Hüther sagte indes, dass man in Bereichen wie der Pflege und der Kinderbetreuung ähnlich wie bei der Bahn nicht einfach die Produktivität steigern könne. Mit Blick auf die Lehrberufe fügte er an, dass die Arbeitszufriedenheit weniger von der Arbeitszeit und mehr von Bedingungen wie der Klassengröße abhänge.

Eine Arbeitszeitverkürzung lässt sich auch über die Verkürzung der Lebensarbeitszeit erreichen.

Axel Schäfer, SPD-Bundestagsabgeordneter

Zugleich erklärte Hüther mit Blick auf den Fachkräftemangel, dass die Diskussion um flächendeckende geringere Arbeitszeiten volkswirtschaftlich nicht aufgehe. Insbesondere die Energiewende „verlangt gerade viel mehr händische Arbeit“, betonte er.

Dennoch spielt die Reduzierung der Wochenarbeitszeit in immer mehr Tarifauseinandersetzungen eine Rolle. So hatten sich in der zurückliegenden Woche die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Ärzteverband Marburger Bund darauf geeinigt, dass Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken zehn Prozent mehr Gehalt bekommen und zugleich pro Woche im Durchschnitt nicht mehr 42, sondern 40 Stunden arbeiten müssen.

Derzeit schwächelt das Wirtschaftswachstum

Martin Rosemann, der Sprecher für Arbeit und Soziales in der SPD-Bundestagsfraktion, teilte die Einschätzung Hüthers, dass es bei der Debatte um das Gleichgewicht zwischen Leben und Arbeit nicht allein um Arbeitszeitverkürzung gehen könne.

Es müsse auch um Arbeitszeitsouveränität und die Qualität der Arbeit gehen, sagte Rosemann dem Tagesspiegel. „Arbeitszeitverkürzungen können aber durchaus einen Beitrag dazu leisten, bestimmte Branchen oder Tätigkeiten attraktiver zu machen – gerade dort, wo es mit der Zeitsouveränität nicht so weit her ist“, fügte er hinzu.

In einer Kindertagesstätte in Frankfurt am Main werden Erzieherinnen gesucht – und nicht nur dort.
In einer Kindertagesstätte in Frankfurt am Main werden Erzieherinnen gesucht – und nicht nur dort.

© dpa/Arne Dedert

Zudem werde nach den Worten des SPD-Politikers zu wenig berücksichtigt, dass die Verkürzung der Normalarbeitszeit in einer Branche dazu führen könne, dass der Teilzeitanteil sinke und vor allem Frauen mehr arbeiteten. „Damit könnte Arbeitszeitverkürzung sogar zu einer Ausweitung des Arbeitsvolumens führen“, sagte Rosemann weiter und verwies auf die Zuständigkeit der jeweiligen Tarifpartner.

„Eine Arbeitszeitverkürzung lässt sich auch über die Verkürzung der Lebensarbeitszeit erreichen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer. Entscheidend sei, dass sich Deutschland dabei seine technologische Konkurrenzfähigkeit bewahre. „Es kommt auf kluge Arbeitszeitmodelle an, die auch dem gesellschaftlichen Wandel und dem Ruf nach kürzeren Arbeitszeiten Rechnung tragen“, so Schäfer.

Derzeit schwächelt das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Laut der Frühjahrsprognose der führenden Forschungsinstitute wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraussichtlich nur um 0,1 Prozent wachsen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, äußerte sich skeptisch angesichts von Forderungen nach einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung.  „Es ist schon bizarr, dass wir in einer Zeit, in der etwa 1,9 Millionen Stellen in Deutschland nicht besetzt werden können, allen Ernstes über Arbeitszeitverkürzung diskutieren“, sagte Frei dem Tagesspiegel.

Umgekehrt werde in Deutschland „wieder eine neue Agenda für Fleiß, Leistung und Arbeit“ benötigt. Während etwa Erwerbstätige in der Schweiz pro Kopf 1500 Stunden im Jahr arbeiteten, seien es in Deutschland nur 1350 Stunden, so Frei. „Klar ist aber: Anstrengungslosen Wohlstand gibt es nicht“, erklärte der CDU-Politiker.

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