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Oskar Lafontaine steht Bündnissen zwischen Linken und SPD im Weg, meint unser Autor.

© dapd

Vermeintlicher Heilsbringer: Die Linke muss sich von Lafontaine emanzipieren

Die Linke könnte ein großer Verlierer des Neuwahlfrühlings werden. Führungskrise und Flügelstreit lähmen die Partei, inhaltliche Akzente setzt sie kaum noch. Vor allem Oskar Lafontaine verhindert einen Neuanfang.

Kommt er oder kommt er nicht. Kaum eine Woche vergeht derzeit in der Linkspartei und in den Medien ohne Spekulationen über ein bundespolitisches Comeback von Oskar Lafontaine. Wie einen Heilsbringer sehnen sich die Genossen den mittlerweile 68-Jährigen zurück nach Berlin. Entweder als neuen alten Parteivorsitzenden oder zumindest erneut als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013.

Die Not der Partei ist groß. Die besten Zeiten scheint sie hinter sich zu haben. Von ihrem Rekordergebnis der Bundestagswahl 2009 in Höhe von 11,9 ist die Linke derzeit weit entfernt. Die Partei ist zerstritten, hat kein Mobilisierungsthema mehr, die Hartz-IV-Proteste sind Geschichte, aus Afghanistan will mittlerweile sogar die Regierung abziehen. Die Zahl der Mitglieder der Linkspartei ist derweil unter die symbolisch wichtige Schwelle von 70.000 gesunken, Tendenz weiter fallend. Die Protestwähler sind derweil zu den Piraten weitergezogen.

Hinzu kommt: Seit mehr als einem Jahr schwelt in der Linkspartei eine Führungskrise. Die Autorität des Führungsduos Gesine Lötzsch und Klaus Ernst wurde auch aus den eigenen Reihen systematisch untergraben. Der Generationenwechsel an der Spitze der Partei nach dem Abtritt der alten Recken Oskar Lafontaine und Lothar Bisky ist gescheitert. Die Ausgangslage für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist denkbar schlecht, in beiden Ländern könnte die Linke unter die 5-Prozenz-Marke stürzen und am Einzug in den Landtag scheitern.

Immer mehr Genossen sind deshalb davon überzeugt, dass Oskar Lafontaine noch einmal ran muss, um die fragile Ost-West-Partei, die vor fünf Jahren aus der Fusion von PDS und WASG hervorgegangen war, zu stabilisieren. Die Erwartungen an sein Comeback sind gewaltig.

Lafontaine will erst nach den beiden Landtagswahlen im Mai bekannt geben, ob er auf die große politische Bühne in Berlin zurückkehrt. Viel spricht dafür, dass sich dieser längst entschieden hat. Vermutlich will Lafontaine nur noch die beiden Landtagswahlen und die beiden wahrscheinlichen Wahlschlappen abwarten, bevor er seine Rückkehrpläne öffentlich macht. Viel Zeit bleibt dann allerdings nicht mehr. Bereits Anfang Juni will die Linke auf einem Parteitag in Göttingen einen neuen Vorstand wählen.

Lafontaine war nie wirklich weg

Dabei war Oskar Lafontaine in Wirklichkeit nie richtig weg. Zwar hatte sich Lafontaine nach der Bundestagswahl 2009 Schritt für Schritt aus Berlin verabschiedet. Wegen einer Krebserkrankung hatte dieser im Herbst 2009 den Fraktionsvorsitz im Bundestag und im Mai 2010 den Parteivorsitz aufgegeben. Auch sein Bundestagsmandat hat er niedergelegt. Doch aus dem Saarland hat Lafontaine auch in den letzten beiden Jahren weiter in der Partei die politischen Strippen gezogen, sowohl die Programm- als auch die Personaldebatten geprägt. Vor allem das Grundsatzprogramm, das die Linke im Herbst vergangenen Jahres verabschiedet hat, trägt seine Handschrift.

Auch aus der Ferne hat Lafontaine die Linkspartei weiter fest im Griff. Die beiden Nachfolger Lötzsch und Ernst hatten nie eine Chance. Der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi hingegen hat die Fraktion weiter so geführt, als säße Lafontaine noch neben ihm. Dessen Berliner Statthalterin Sahra Wagenknecht stieg zugleich zu Gysis erster Stellvertreterin auf und wacht über die reine Lehre.

Die Rückkehr des Saarländers nach Berlin wäre also konsequent, aus dem heimlichen Parteivorsitzenden würde wieder der offizielle. Aus dem politischen Vorruheständler wieder ein Alphatier, das sich 2013 einmal mehr in den Wahlkampf stürzt. Zwar ist der erneute Einzug in dem Bundestag nicht in Gefahr, dafür ist Anhängerschaft der Linken im Osten zu stabil. Darüber hinaus ist Lafontaine ohne Zweifel ein begnadeter Wahlkämpfer. Aber politisch und machtstrategisch führt ein Lafontaine-Comeback die Linke mehr und mehr ins Abseits.

Doch die Frage, ob Lafontaine überhaupt der Richtige für einen politischen Neustart der Linkspartei ist, diese Frage ist innerhalb der Linken tabu. Dabei sind die Oskar-Rufe in der Linken eher ein Ausdruck von politischer Schwäche und strategischer Ratlosigkeit.

Einer tatsächlichen personellen, programmatischen und strategischen Erneuerung der Linkspartei steht Lafontaine im Wege. Erfolgreich hat Lafontaine in den letzten zehn Jahren die SPD mit seinem politischen Fundikurs vor sich hergetrieben, systematisch hat er die Schnittmengen zwischen SPD und Linken verkleinert, eine rot-rote Annäherung erschwert. Vor allem solange die Sozialdemokraten erst mit den Grünen und anschließend in der Großen Koalition regierten, war diese Strategie erfolgreich.

Selbst von der Finanzkrise kann die Linke nicht profitieren

Doch seit die SPD im Bundestag wieder auf den Oppositionsbänken Platz genommen hat, wieder für den Mindestlohn kämpft und höhere Steuern fordert, fällt es der Linken sehr viel schwerer, sich politisch zu profilieren und die SPD programmatisch unter Druck zu setzen. Es gibt derzeit kein aktuelles bundespolitisches Thema, keine Forderung, mit der die Linkspartei identifiziert wird. Von der Finanzkrise kann die Partei genauso wenig profitieren wie von der Eurokrise. Dabei ist Kapitalismuskritik bis in die Manageretagen großer Konzerne mittlerweile en vogue.

Als Protestpartei hat die Linke gleichzeitig ausgedient, mittlerweile mobilisieren die Piraten erfolgreich jene Wähler, die mit den Parteien und der politischen Klasse insgesamt hadern. Die Linkspartei hingegen wird, wie im Saarland oder Nordrhein-Westfalen als jene Partei wahrgenommen, die rot-roten oder rot-rot-grünen Bündnissen im Wege steht. Als jene Partei, dessen linker Fundikurs für die CDU und das bürgerliche Lager zum Machtgaranten wird.

Auf Dauer wird die Linke dies ihren Wählern nicht erklären können. Will sie also nach der Bundestagswahl 2013 nicht endgültig in der Fundi-Falle landen, müsste sie eigentlich ihre Strategie überdenken, mehr auf Realpolitik setzen, statt auf Abgrenzungsrhetorik und sich zum Beispiel von der Forderung „Hartz IV muss weg“ oder der Absage an jede Politik der Haushaltskonsolidierung verabschieden. Sie müsste wieder auf die SPD und auf die Grünen zugehen, die politischen Schnittmengen im linken Lager vergrößern.

Doch Oskar Lafontaine blockiert diesen Weg. Bündnisse mit den Sozialdemokraten will er nur zu seinen Bedingungen. Von Kompromissen mit seinen ehemaligen Parteifreunden hält er Ex-SPD-Vorsitzende nicht viel. Nicht nur politisch, sondern auch biografisch verhindert er eine Annäherung an die SPD. Schließlich fällt es den Sozialdemokraten bis heute schwer, mit jenem linken Politiker zusammenzuarbeiten, der bis 1998 ihr Parteivorsitzender war und die SPD im Streit und mit vielen bösen Worten verlassen hat.

Eigentlich müsste die Linke deshalb den Mut haben, sich von dem vermeintlichen Heilsbringer zu emanzipieren, doch stattdessen wollen die Genossen mit diesem noch einmal zurück in die Vergangenheit ziehen.

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