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Demonstranten setzten das Parlamentsgebäude im ostlibyschen Tobruk in Brand.

© Reuters

Demonstranten stürmten Parlament: Versinkt Libyen in Gewalt und Anarchie?

Machtkämpfe politischer Rivalen, schlechte Lebensbedingungen, gewaltsame Unruhen – in Libyen gerät die Lage außer Kontrolle.

Es sind aufwühlende Bilder – und sie wirken wie ein Fanal. Ein Parlament, das in Flammen aufgeht. Bulldozer, die in Absperrungen gelenkt werden. Aufgebrachte Demonstranten, die im Gebäude randalieren, grüne Flaggen des 2011 gestürzten Machthabers Muammar al Gaddafi schwenken und „Wir wollen Licht“ skandieren – eine Anspielung auf ständige Stromausfälle. Dazu Sicherheitskräfte, die Schüsse abgegeben.

Das alles hat sich in der ostlibyschen Hafenstadt Tobruk abgespielt. Aber auch in der Hauptstadt Tripolis, in Misrata, Bengasi und anderen Orten kam es zu schweren Unruhen. Beobachter sind sich einig: Das nordafrikanische Krisenland könnte noch weiter in Gewalt und Anarchie abrutschen.

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Die Menschen gehen aus verschiedenen Gründen auf die Straße. Aber der Zorn lässt sich auf einen Nenner bringen: Die Libyerinnen und Libyer wollen endlich ein besseres Leben. Sie sind das Chaos, die Korruption, die katastrophale wirtschaftliche Lage und das Versagen der Eliten leid. Die jüngsten Proteste richten sich deshalb in erster Linie gegen den politischen Stillstand.

Zwei Regierungschefs für ein Land

Libyen lähmt derzeit in erster Linie, dass sich zwei rivalisierende Regierungschefs gegenüberstehen. Auf der einen Seite ist das der international anerkannte Übergangspremier Abdul Hamid Dhaiba, der von Tripolis aus versucht, das Land zu führen. Zugleich beansprucht die Regierung von Ex-Innenminister Fathi Baschaga die Macht für sich.

Immer wieder liefern sich verfeindete Milizen Gefechte.

© Hani Amara/Reuters

Baschaga ist nicht nur mit dem Parlament im Osten verbündet, sondern auch mit dem einflussreichen Rebellengeneral Chalifa Haftar, der schon mehrfach – gestützt auf Russland – die Macht an sich reißen wollte. Premier Dhaiba wiederum will sein Amt nur an einen vom Volk gewählten Ministerpräsidenten übergeben.

Viele Menschen leiden große Not

Das Problem ist nur: Die für vergangenen Dezember vorgesehenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden wegen der instabilen Lage und Kämpfen zwischen den Kandidaten gar nicht statt. Das Ganze mündete in einem Versuch, Dhaiba aus der Hauptstadt und von der Macht zu vertreiben. Doch Baschagas Angriff im Mai, gestützt auf Milizen aus dem Osten des Landes, misslang. Das Land ist und bleibt also tief gespalten.

Der Kriegsherr Chalifa Haftar gehört zu Libyens mächtigsten Männern.

© Abdullah Doma/AFP

Das geht vor allem zu Lasten der fast sieben Millionen Menschen in Libyen, von denen viele in großer Not leben – und das schon seit dem Sturz des Langzeitdiktators Gaddafi.

Machtkämpfe zu Lasten der Bevölkerung

Der seit elf Jahren herrschende Bürgerkrieg lässt die Bevölkerung verelenden. Immer wieder fällt der Strom aus, es gibt keine Jobs, die Menschen fordern bezahlbares Brot – und das in einem ölreichen, einstmals wohlhabenden Land. Doch verfeindete Milizen, Warlords und Clanchefs haben Libyen fest im Griff.

In ihren jeweiligen Einflussgebieten bereichern sie sich, zumeist auf Kosten des Volkes. Immer wieder kommt es auch zu Machtkämpfen zwischen bewaffneten Einheiten. Das alles treibt die Verzweifelten auf die Straße – und lässt sie Parlamente anzünden.

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