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Migranten an der serbisch-ungarischen Grenze: Das Thema Flüchtlinge beherrscht die Westbalkan-Konferenz in Wien.

© AFP

Versorgung von Flüchtlingen: EU plant Millionen-Hilfe für Westbalkanstaaten

Eigentlich sollte es um neue Brücken und Schienen in Ex-Jugoslawien gehen, doch die Westbalkan-Konferenz wird von der steigenden Zahl von Flüchtlingen bestimmt.

Die Flüchtlingskrise ändert auch den Charakter der Westbalkankonferenz an diesem Donnerstag in Wien. Die EU-Kommission will Länder aus der Region einem Bericht der "Welt" zufolge mit einem neuen Hilfsprogramm für ein verbessertes „Migrationsmanagement“ stärker unterstützen. Demnach sollen von September an die Staaten des Westbalkans und die Türkei acht Millionen Euro erhalten, um Flüchtlinge besser identifizieren und versorgen zu können. Die im Vorjahr von der deutschen und britischen Regierung ins Leben gerufene periodische Zusammenkunft von Regierungsvertretern aus allen Staaten des westlichen Balkans sollte eigentlich grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte beschließen und den Stand der Vorbereitungen für die von ihnen angestrebte EU-Mitgliedschaft überprüfen. Sie gilt damit als das wichtigste Treffen der Regierungen der EU-Erweiterungsländer Montenegro, Serbien, Albanien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo in diesem Jahr.

Konkret sollen etwa zehn von der Europäischen Entwicklungsbank geförderte Projekte mit einem Investitionsvolumen von 600 Millionen Euro beschlossen werden, darunter eine Autobahn aus Südserbien durch den Kosovo nach Albnien und die Modernisierung mehrerer Bahnstrecken. Doch die Hoffnung, mit solchen Projekten die Wirtschaft anzukurbeln und die Spannungen zwischen den Ländern und Volksgruppen zu senken, hat sich bisher nicht erfüllt. In fast allen Ländern des Westbalkans ist das Wirtschaftswachstum seit der ersten Konferenz im Vorjahr in Berlin gesunken. Ein Viertel der Erwachsenen und die Hälfte der Jugendlichen sind arbeitslos.

Steigende Zahl von Flüchtlingen zentrales Thema beim Kongress

Das hat die Flüchtlingswelle aus dem Balkan befeuert. Zusätzlich hat sich zuletzt die Hauptroute der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten immer mehr auf den Balkan verlagert, die zuvor mehr überwiegend von der Türkei über Italien in die nördlichen EU-Länder gelangten. Damit wird an diesem Donnerstag das Flüchtlingsproblem die Konferenz beherrschen. Vorschläge liegen inzwischen vom österreichischen Gastgeber auf dem Tisch, auch Kanzlerin Merkel wird nach den Gesprächen mit Frankreichs Präsident Hollande am Montag einige präsentieren. Wie konkret und realistisch die ausfallen, ist offen.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, 30, hatte am Montag nach einem Besuch an der griechisch-mazedonischen Grenze einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem die Schaffung von sicheren Pufferzonen für die Flüchtlinge an den Grenzen, die Möglichkeit für deren Asylanträge in den Heimatländern und mehr EU-Hilfe vor Ort vorsieht.
Die albanische Regierung hat inzwischen von der deutschen verlangt, mehr Flüchtlinge zurückzuführen. Der serbische Premierminister Aleksandar Vucic bot in der Wiener „Presse“ Deutschland und Österreich Gespräche über die Unterbringung von Asylbewerbern an und forderte zugleich wie auch die anderen Balkanländer mehr EU-Unterstützung in der Flüchtlingskrise. Auch sei für viele Serben der Anreiz zur Flucht nach Deutschland einfach zu hoch, weil dort das Flüchtlings-Taschengeld höher sei als der Durchschnittsverdienst zu Hause, sagte Vucic. Er warnte auch vor weiterer Instabilität in Bosnien.

Faymann geht mit Osteuropa hart ins Gericht

Österreichs Kanzler Werner Faymann kritisierte die osteuropäischen Staaten, die eine Aufteilung der Flüchtlinge nach Quoten bisher strikt ablehnen. Namentlich nannte er das Baltikum, Polen und Tschechien. Faymann kritisierte auch Brüssel. „Die EU hat die Situation am Westbalkan unterschätzt und nicht die nötigen Schritte unternommen, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen.“ Damit unterstützte Faymann die deutsche Kanzlerin, die am Dienstag nochmals betont hatte: „Drei oder vier von 28 EU-Ländern können nicht die ganze Last tragen.“ Derzeit nehmen Schweden, Deutschland und Österreich relativ die meisten Flüchtlinge in der EU auf. In Wien wartet man daher gespannt auf Merkels Auftritt bei der Konferenz.
Merkel und Faymann werden auch bilateral miteinander sprechen und die Gelegenheit für eine angenehmere Angelegenheit nutzen: Faymann wird Merkel den zweithöchsten Orden der Republik verleihen. Im zehnten Jahr ihrer Amtszeit und im siebten der seinen eine überfällige Geste der Wertschätzung. Die gilt in beiden Hauptstädten sonst nicht als so ausgeprägt. Faymann hatte sich in der Euro- Rettungspolitik zu oft auf die Seite der Südländer und gegen die Bemühungen Merkels um Reformen gestellt – bis hin zur Unterstützung der von der Bundesbank kritisierten Politik von EZB-Präsident Mario Draghi, wo Österreich Deutschland oft im Stich ließ.

Der Versuch von Merkels Umgebung, die Verleihung der ihr durchaus willkommenen Auszeichnung von einer anderen Persönlichkeit als SPÖ-Chef Faymann vornehmen zu lassen, scheiterte am Widerstand des Wiener Kanzleramts. Der in Berlin angedachte Altkanzler Wolfgang Schüssel von der konservativen ÖVP bei seiner Feier zum 70.Geburtstag in Wien im Juni wäre denn doch ein zu großer Eklat gewesen. Und Merkels geplante Stippvisite dazu fiel durch die Griechenland-Krisengespräche ohnehin aus.
Für sie ist die Ordensverleihung nun ein Termin unter dreien an diesem Donnerstag: Am Abend hält sie die Festrede bei der Feier zu 60 Jahren Deutsche Handelskammer in Österreich. Auch so kann man die Dinge etwas niedriger hängen. (mit dpa)

Reinhard Frauscher

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