zum Hauptinhalt

Politik: Verstoß gegen das Grundgesetz?

Verfassungsrechtler kritisiert Vorgaben für Privatversicherer / Müntefering: Es wurde alles bedacht

Von

Berlin - Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gesundheitsreform zurückgewiesen. „Ich kann keine erkennen dabei, und ich empfehle auch sehr, dass wir uns an der Stelle das Leben nicht schwer machen“, sagte der Vizekanzler in Berlin. Der Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Helge Sodan, hatte mit Blick auf die Regelungen für Privatversicherte bezweifelt, dass der Reformkompromiss verfassungsmäßig sei. Konkret monierte er die geplanten Steuerzuschüsse für die Kinderversicherung sowie den „Basistarif“, den die privaten Versicherungen künftig nach dem Willen der Koalition anbieten sollen.

Es sei „alles bedacht worden, dass das trägt“, versicherte Müntefering. Niemand solle sich irritieren lassen. „Das wird so umgesetzt.“ Ein Regierungssprecher betonte, bevor man einen Gesetzentwurf im Kabinett beschließe, werde er von den Verfassungsressorts immer auf mögliche juristische Bedenken überprüft. Dies sei „Standard in der Gesetzgebung“.

Sodan kritisierte in der „Thüringer Allgemeinen“, dass der Steuerzuschuss nur gesetzlichen Kassen zukommen soll. „Ich halte es in keiner Weise für verfassungsgemäß, dass die Kinder von Privatversicherten hier nicht berücksichtigt werden“, sagte er. In Regierungskreisen hält man es aber für ausgeschlossen, dass eine Klage erfolgreich sein würde. Die ersten Gesetzentwürfe aus dem Gesundheitsministerium sahen vor, die Steuergelder über einen allgemeinen Zuschuss an die Kassen zu zahlen – ohne Zweckbindung, vergleichbar mit dem momentanen Tabaksteuerzuschuss. Zudem will die Koalition in dieser Legislaturperiode nur einen Teil der beitragsfreien Mitversicherung der Kinder über Steuern finanzieren – 2008 sollen 1,5 Milliarden Euro fließen, 2009 sollen es drei Milliarden sein. Für die komplette Finanzierung der Kinderkosten wären 14 Milliarden nötig. Erst wenn nicht nur Löcher gestopft, sondern die Kinderkosten komplett über Steuern finanziert würden, ist es aus Regierungssicht aber denkbar, dass auch Privatversicherte einen Zuschuss für ihre Kinder erhalten.

Der Verfassungsrechtler hält es weiter für bedenklich, dass Privatversicherer verpflichtet werden sollen, bestimmte Personen unabhängig von ihrem Krankheitsrisiko zum gleichen Tarif aufzunehmen. Nach den Plänen der Koalition sollen Privatversicherer einen Basistarif anbieten, der dem Leistungsumfang gesetzlicher Kassen entspricht und maximal so viel kostet, wie ein freiwillig Versicherter dort zu zahlen hat. Dieser Tarif soll jedem Bürger ohne Versicherungsschutz offen stehen, der früher einmal privat versichert war, sowie freiwillig Versicherten. „Die große Koalition versucht an dieser Stelle, der PKV eine Sozialversicherung überzustülpen“, kritisiert Sodan. In Branchenkreisen ist zu hören, dass ein privater Basistarif, der nicht mehr koste als gesetzlicher Schutz und auch dieselben Leistungen biete, undenkbar sei. Der Grund: Aus diesem Tarif müssten zusätzlich noch Altersrückstellungen gebildet werden – worauf in der GKV verzichtet wird. Beim Basistarif gleichfalls auf Rückstellungen zu verzichten, weisen die Privatversicherer aber empört von sich. „Damit würden wir unsere eigene Philosophie aufgeben“, heißt es.

Allerdings gibt es in der PKV schon jetzt einen Standardtarif mit begrenztem Höchstbeitrag. Auch er erfüllt eine soziale Schutzfunktion – etwa wenn jemand sich als Selbstständiger oder Rentner die normalen Tarife nicht mehr leisten kann. Bereits damit wurde in der PKV ein Stück Umverteilung etabliert und gegen das Prinzip verstoßen, die Prämien nach individuellem Risiko zu kalkulieren. Nach Angaben des SPD-Experten Karl Lauterbach hat sich bisher aber nur jeder tausendste Privatversicherte für den Standardtarif entschieden. Entsprechend gering werde das Interesse für den Basistarif sein, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false