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Vertrag von Lissabon: CSU will Europa stärker kontrollieren

Zwischen CDU und CSU droht neuer Streit. Die Bayern ziehen aus dem Gerichtsurteil zum Lissabon-Vertrag weiterreichende Konsequenzen als die Merkel-Partei.

Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber forderte am Samstag im Hamburger Abendblatt, das Parlament solle künftig auch in Fragen der EU-Erweiterung mitreden dürfen. «Die Eröffnung neuer Verhandlungskapitel etwa mit der Türkei sollte erst nach Zustimmung des Bundestags möglich sein», sagte Stoiber, der auch EU-Beauftragter für Bürokratieabbau ist.

Darüber hinaus solle das Parlament «die Möglichkeit einer generellen Kompetenzrüge» erhalten, wenn es bei einer Entscheidung der Europäischen Kommission oder des Europäischen Rates einen Verstoß gegen nationale Zuständigkeiten sieht. Stelle dann das Bundesverfassungsgericht eine Kompetenzverletzung fest, dürfe die europäische Regelung für Deutschland nicht gelten.

Zuvor hatte bereits CSU-Chef Horst Seehofer verlangt, dass die Bundesregierung generell vor allen Entscheidungen auf EU-Ebene die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat einholen müsse.

Scharfe Kritik an diesen Vorstößen kam von der SPD. Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer, wies die CSU-Forderungen zurück. «Die CSU redet sich gerade am Nationalstaat besoffen, doch sie wird schnell mit einem europäischen Brummschädel aufwachen», sagte er am Samstag in einer Mitteilung. «Wer jetzt irreale Forderungen stellt, gefährdet unsere Handlungsfähigkeit und die Handlungsfähigkeit der EU, die der Lissabon-Vertrag mit sich bringt.» CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel «muss jetzt Stellung beziehen und auf die Querulanten der CSU einwirken».

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, der zu den Klägern gegen den Lissabon-Vertrag in Karlsruhe gehört hatte, drängte im Magazin Focus darauf, dass "die Bundesregierung den völkerrechtlichen Vorbehalt erklärt, dass der Vertrag von Lissabon für Deutschland nur in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes gilt».

In der CDU stoßen die bayerischen Pläne dagegen auf Ablehnung. «Die große Gefahr besteht, dass ausgerechnet Deutschlands Parlament so die destruktiven Kräfte in Europa stärkt, all jene, die das Ende der europäischen Einigung betreiben», sagte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den EU-Vertrag am Dienstag als rechtmäßig bestätigt, gleichzeitig aber mehr Mitwirkungsrechte für Bundestag und Bundesrat gefordert. Die Karlsruher Richter hatten die weitere Ratifizierung des Lissabonner Vertrags vorerst gestoppt. Der Bundestag will nun in Sondersitzungen am 26. August und am 8. September ein neues Begleitgesetz beraten und beschließen.

Sachsen-Anhalts Europaminister Rainer Robra (CDU) wertete das Verfassungsgerichts-Urteil vor allem als eine Stärkung des Bundestags. «Aus meiner Sicht ist der Bundestag der eigentliche Gewinner. Die Länder waren bisher schon stark eingeschaltet und nehmen etwa in der Kultur- oder Medienpolitik ihre eigene Verantwortung gegenüber der EU wahr», sagte Robra in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Magdeburg.
 

ZEIT ONLINE, dpa

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