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Politik: Vertrauen verspielt

Warum US-Bürger ein Ziel für palästinensische Terroristen sind

Das Dilemma der amerikanischen Nahost-Politik fasste vor kurzem ein US-Diplomat in einem Stoßseufzer zusammen. „Auf palästinensischer Seite gibt es keinen, mit dem wir reden können, und auf isrealischer Seite hört uns keiner zu.“ Jassir Arafat wurde isoliert, Ariel Scharon stellt sich taub. Das Ergebnis ist doppelt fatal. Einerseits ist die einzige Macht, die den Konflikt von Außen beeinflussen kann, gelähmt. Andererseits hat sich unter den Palästinsern der Eindruck verstärkt, Amerika stehe hinter allen Maßnahmen der Scharon-Regierung. Das Vertrauen, das Washington auch auf palästinensischer Seite einst genoss, hat es verspielt.

Am Mittwoch starben bei einem Anschlag im Gaza-Streifen mindestens drei US-Bürger. Bekannt hat sich noch niemand zu der Tat. Aber die Vermutung liegt nahe, dass militante Palästinenser den Sprengsatz gezündet haben. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre dies ein Novum. Bisher haben radikale Gruppen wie „Hamas“ und „Islamischer Dschihad“ ihre Attentate auf Israelis beschränkt. Amerikaner sind gezielt in anderen arabischen Ländern umgebracht worden – Libanon, Saudi-Arabien, Irak –, aber nie auf palästinensischem Territorium. Dort galt ihnen gegenüber inoffiziell eine „Hands-Off“-Strategie, die mehrfach von den Vertretern von „Hamas“ und „Islamischem Dschihad“ bekräftigt wurde. Der Anschlag vom Mittwoch könnte das Ende der Zurückhaltung bedeuten. Die US-Botschaft jedenfalls reagierte prompt. Sie forderte alle Landsleute auf, den Gaza-Streifen umgehend zu verlassen.

Die palästinensische Wut auf die US-Regierung entzündet sich an drei Stichworten: Kampf gegen den Terror, Jassir Arafat, Sicherheitszaun. Ursprünglich hatte US-Präsident George W. Bush, nach den Al-Qaida-Anschlägen vom 11. September 2001, moderat geklungen. Im Visier standen Osama bin Laden, dessen Terrornetzwerk und die in Afghanistan herrschenden Taliban-Milizen. In seiner Rede vom 20. September, neun Tage nach den Anschlägen, beschränkte Bush den Kampf seines Landes ausdrücklich auf Terror-Organisationen „mit globaler Reichweite“. Damit traf er einen feinen, aber wichtigen Unterschied. Auf der einen Seite stand der emanzipationsfeindliche religiöse Totalitarismus eines Bin Laden, der den Westen mehr für das hasst, was er ist, als für das, was er tut. Auf der anderen Seite standen regional begrenzte, oft politisch motivierte Organisationen wie Eta, IRA, Hamas, Dschihad oder Hisbollah, die ihre Gegner mehr für das hassen, was sie tun, als für das, was sie sind.

Scharon war über diese Unterscheidung entsetzt. Terror sei gleich Terror, schallte es erbost aus Jerusalem zurück. Nur wenige Tage später polterte der General in seiner Rede an die Nation kräftig zurück. Er warnte Bush davor, sich mit „den Arabern“ auf Kosten Israels einzulassen und bemühte gar eine Analogie zur NS-Zeit. Scharon verglich das amerikanische Anti-Terror-Bündnis mit der Appeasement-Politik gegenüber den Nazis. Das führte zur schwersten Belastung der amerikanisch-israelischen Beziehungen seit der Suez-Krise im Jahre 1956. Zumindest vorübergehend.

Schon drei Monate später, Ende Januar 2002, ruderte der düpierte Bush zurück. In seiner Rede an die Nation weitete er den Kampf gegen den Terrorismus nun auch auf Hamas, Hisbollah und Dschihad aus. In Israel machte man aus der Genugtuung über den Kurswechsel keinen Hehl. Viele Palästinenser dagegen waren enttäuscht. Sie hatten sich durch Saddam Hussein oder Osama bin Laden, die in ihren Hetzreden auf die „jüdisch-amerikanischen Imperialisten“ schimpften, nie vertreten gefühlt. Jetzt plötzlich saßen sie mit den Demagogen in einem Boot.

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