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Politik: Vertuscht und abgewiegelt

Der einstige Verfassungsminister Manfred Kanther ist verurteilt – härter als vom Staatsanwalt beantragt

Zweimal muss der Vorsitzende Richter Rolf Vogel zur Urteilsverkündung ansetzen. Zunächst ist er kaum zu hören. Er flüstert immer noch, als er das überraschende Urteil im hessischen CDU-Schwarzgeldprozess verkündet. Auch für ihn ist es nicht alltäglich, dass er einen ehemaligen Verfassungsminister verurteilt. 18 Monate Haft, zur Bewährung ausgesetzt, für den früheren Bundesinnenminister Manfred Kanther, dazu 25000 Euro Bewährungsauflage. Damit geht die Wirtschaftsstrafkammer deutlich über den Strafantrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die nur eine Geldstrafe gefordert hatte. Kanthers ehemaliger Finanzberater Horst Weyrauch muss 61200 Euro Strafe zahlen. Kanther und Weyrauch hätten sich 1983 bewusst über Parteienrecht und Verfassung hinweggesetzt, als sie das geheime Vermögen der hessischen CDU in die Schweiz geschafft hätten, sagte Vogel zur Begründung und machte sie für die Sanktion von 21 Millionen Euro verantwortlich, die der Bundestagspräsident wegen der schwarzen Kassen in Hessen gegen die Bundes-CDU verhängt hat.

Die entscheidende Zäsur sieht das Gericht in den Jahren 1993/94. Damals waren auf Veranlassung des Bundesverfassungsgerichts die Veröffentlichungspflichten der Parteien verschärft worden. Von da an hätten die Angeklagten damit rechnen müssen, dass nicht ausgewiesenes Vermögen zu Sanktionen führen konnte. Obwohl sie damals das geheime Auslandsvermögen ohne große wirtschaftliche Folgen für die Partei hätten offen legen können, hätten sie das Risiko bewusst in Kauf genommen. Damit verwarf das Gericht die Darstellung von Kanther und Weyrauch, sie hätten die spätere, harte Auslegung des Parteienrechts durch den Bundestagspräsidenten im Jahr 2000 nicht vorhersehen können.

Ausdrücklich wies die Kammer die Darstellung Kanthers zurück, er habe von 1995 an geglaubt, der „Honigtopf im Süden“ sei aufgebraucht. Als CDU-Landeschef habe Kanther 1998 seinem Nachfolger Roland Koch nicht von dem Auslandsvermögen berichtet – wie auch der damalige Schatzmeister Prinz Wittgenstein. Nur deshalb sei es für die Jahre 1997 und 98 – wie in den Jahren zuvor – zu falschen Rechenschaftsberichten gekommen. Noch Ende 1999, als der neue Landesvorsitzende Koch angesichts angeblich „jüdischer Vermächtnisse“ und erster Irritationen über ein Treuhandkonto bei Kanther nachfragte, habe dieser abgewiegelt. Die Angeklagten hätten eine Sanktion gegen die CDU zumindest billigend in Kauf genommen, so Vogel. Wegen des extrem hohen politischen und wirtschaftlichen Schadens sei eine Geldstrafe nicht in Betracht gekommen. Weyrauch habe zwar auf Weisung gehandelt, aber bei den Vertuschungen freie Hand gehabt. Er habe falsche Rechenschaftsberichte und Testate verfasst, sein Handeln sei nicht – wie von ihm behauptet – als „Übertreue“ zu bewerten, sondern „schlicht und einfach als Beihilfe zur Untreue, die er sich auf Stundenbasis honorieren ließ“.

Allenfalls in Ansätzen seien die Motive der Angeklagten für den geheimen Geldtransfer nachvollziehbar, sagte der Richter, der ihnen eine falsche Handlungsweise und einen „jahrzehntelangen“ Verstoß gegen Gesetze und Verfassung vorhielt; objektiv seien sie für einen Schaden verantwortlich, der sehr viel stärker zu Buche schlage, als der, den sie 1983 zu verhindern suchten.

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