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Politik: Viel Lärm um wenig

Die Union streitet wortgewaltig um den Zuwanderungskompromiss – damit die Hardliner Ruhe geben

Von Robert Birnbaum

So ernst ist die Lage immerhin doch, dass die Chefin selbst das Wort ergriff. In Sachen Zuwanderung, so Angela Merkel am Dienstag, müsse jetzt aus der Grundsatzeinigung der Parteichefs mit Kanzler Gerhard Schröder ein Gesetzentwurf formuliert werden. „Ich gehe davon aus, dass das bei gutem Willen auf Seiten aller Beteiligten auch gelingen kann“, sagt Merkel. Das mit dem guten Willen gilt ersichtlich den eigenen Reihen, genauer: der CSU. Deren Chef Edmund Stoiber ist es schließlich gewesen, der das zeitweilige Verschwinden des „Kalifen von Köln“, Metin Kaplan, mit der Zuwanderungsfrage verknüpft hatte. „Ich setze meine Unterschrift als CSU-Chef nur unter eine Zuwanderungsvereinbarung, wenn mit Hasspredigern wie Kaplan künftig kurzer Prozess gemacht wird und solche Leute ausgewiesen werden“, hatte Stoiber geschimpft. Was nicht nur mancher Grüne als Versuch wertete, den Kompromiss im Nachhinein aufzuschnüren, zumal der Fall Kaplan dann auch noch den Ruf nach der Sicherungshaft aus der Union belebte.

So abwegig ist der Verdacht ja auch nicht, dass mancher in der CSU es nur zu gerne sähe, wenn der Kompromiss noch am Kleingedruckten scheitern würde. In der CSU-Landesgruppe hatte es vorige Woche massive Kritik an der Vereinbarung mit dem Kanzler gegeben. Vor allem CSU-Vize Horst Seehofer hatte in scharfer Form moniert, dass die eigene Führung vor dem Kanzlergespräch versichert habe, es werde keine Einigung geben, und dann mit einer ebensolchen herausgekommen sei. Stoibers starke Töne werden in der Union als Reflex auf diese Kritik verstanden. Mehr als ein Reflex ist es aber auch nicht. Stoiber hat sich sorgsam davor gehütet, Bedingungen nachzuschieben, die den Kompromiss tatsächlich gefährden könnten. Die erleichterte Ausweisung von „Hasspredigern“, die der CSU-Chef so wortstark einfordert, ist längst Bestandteil der Parteien-Einigung.

Für alles, was darüber hinausgeht, Sicherungshaft inklusive, hat der für die Innenpolitik zuständige Fraktionsvize der Union, Wolfgang Bosbach (CDU), inzwischen einen eigenen Gesetzentwurf angekündigt. „Die Regelungen im Zuwanderungsrecht sind notwendig, aber nicht ausreichend“, sagt Bosbach – was aber im Umkehrschluss heiße, dass man das Zuwanderungsgesetz und die vereinbarten Sicherheitsverbesserungen jetzt rasch umsetzen müsse, um wenigstens diesen kleinen Fortschritt zu sichern: „Wir sollten einen Schritt nach dem anderen machen“, sagt der Fraktionsvize. Er weiß dabei natürlich ganz gut, dass ein Sicherheitspaket der Union im Bundestag keine Mehrheit bekommt. Aber dafür verschafft es jenen in CDU und CSU, die den Zuwanderungskompromiss wollen, ein bisschen Ruhe vor den eigenen Hardlinern. Eine Ruhe, die zum Beispiel Bosbachs nordrhein-westfälischer Landsmann Jürgen Rüttgers sich dringend wünscht. Dass man die CDU als Anti-Ausländer-Partei darstellen könnte, wäre das Letzte, was sich Rüttgers in seinem anstehenden Kommunal- und Landtagswahlkampf wünschen kann.

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