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Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un will sein Land zur Atommacht hochrüsten.

© Reuters

Wasserstoffbombe und Nordkorea: Viel Propaganda, aber wenig Beweise

Nordkorea brüstet sich damit, erstmals eine Wasserstoffbombe erfolgreich getestet zu haben. Doch Geheimdienste und Fachleute sind skeptisch, ob das tatsächlich zutrifft.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un provoziert den Rest der Welt: Mit dem angeblichen Test einer Wasserstoffbombe hätte die Atomwaffenentwicklung des abgeschotteten Landes eine neue Dimension erreicht. Ob die Angaben aus Pjöngjang tatsächlich zutreffen, ist allerdings nach Einschätzung von Experten schwer zu überprüfen. Seismische Stationen in zahlreichen Ländern haben Erschütterungen registriert, die sehr wahrscheinlich von einer atomaren Explosion in der Region des Testgeländes von Punggye-ri stammen. Dass sie jedoch von einer Wasserstoffbombe ausgelöst wurden, die technisch aufwändiger herzustellen ist, wird von einigen Fachleuten bezweifelt.

Die Explosion ähnelt verblüffend der von 2013

Das Regime hat schon vieles behauptet, was dann doch nicht zutraf. Man muss darauf achten, nicht auf die staatliche Propaganda reinzufallen“, sagt Oliver Thränert, Leiter des Think Tanks am Zentrum für Sicherheitspolitik der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Der Erdstoß ereignete sich am Mittwochmorgen um 2:30 Uhr (MEZ). Er erreichte nach unterschiedlichen Messungen von Informationszentren in Südkorea, China sowie den USA und Europa eine Stärke zwischen 4,9 und 5,2. „Die Muster der seismischen Wellen verweisen auf eine Detonation“, sagt Lars Ceranna von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover, wo auch das nationale Datenzentrum für die Überwachung des Kernwaffenteststoppabkommens angesiedelt ist.

Die erfassten Wellen ähneln sehr stark denen, die ein unterirdischer Bombentest in Nordkorea im Jahr 2013 ausgelöst hatte. Dass es sich damals um eine atomare Explosion handelte, schlossen die Forscher aus Messungen eines internationalen Netzwerks, das Tage später radioaktives Xenon erfasst hatte – das ist typisch für unterirdische Atomwaffentests. „Für den aktuellen Test fehlt dieses Indiz bislang“, sagt Ceranna. „Unseren Berechnungen zufolge dürfte eine 400 Kilometer entfernte Station in Japan zuerst das Xenon messen, frühestens am Freitag.“

Eine Wasserstoffbombe ist viel schwieriger zu bauen

Welcher Bombentyp genau zur Explosion gebracht wurde, ist unklar. Die Behauptung Nordkoreas, eine Wasserstoffbombe gezündet zu haben, wird bezweifelt. Bei herkömmlichen Atombomben wird Uran oder Plutonium durch einen konventionellen Sprengsatz so stark verdichtet, dass eine Kettenreaktion startet, bei der die Atomkerne gespalten werden – und dabei viel Energie freisetzen. Bei einer Wasserstoffbombe wird in der Regel ebenfalls eine Kernspaltung herbeigeführt, die wiederum die mitgeführten Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium soweit verdichtet, dass eine Kernfusion in Gang kommt – was noch mehr Energie freisetzt. Dieser Bombentyp hat eine viel höhere Sprengkraft, ist aber deutlich schwieriger zu bauen.
Je nachdem, wie stark eine Wasserstoffbombe ausgelegt ist, würde man Erschütterungen der Stärke 5,5 oder höher erwarten, sagt Ceranna. Doch das war nicht der Fall. „Der aktuelle Test ähnelt dem von 2013 verblüffend, war sogar noch etwas schwächer“, sagt er. „Nach allen Indizien die wir haben, gehen wir davon aus, dass es keine Wasserstoffbombe war.“ Zu dieser Einschätzung kommt beispielsweise auch Bruno Pellaud, ehemaliger Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).

Skepsis in Russland und Südkorea

Ähnliche Töne kommen auch aus Südkorea. Beim jüngsten Atomtest sei vermutlich eine Sprengkraft von sechs Kilotonnen erreicht worden, zitierte die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap ebenfalls einen Militärvertreter. Die Sprengkraft von bisher getesteten Wasserstoffbomben habe dagegen 20 bis 50 Megatonnen erreicht. 

Skepsis herrscht auch in Moskau. Es gebe keine Beweise, dass es sich bei der von Pjöngjang getesteten Waffe um eine Wasserstoffbombe handle, erklärte Generaloberst Viktor Jessin. Und: „Eine direkte Bedrohung Russlands durch die Aktion Nordkoreas sehe ich nicht, wenn man unsere Beziehungen mit dem Land in Betracht zieht“, sagte der Ex-Generalstabschef der strategischen Raketentruppen. „Für die ganze Welt hingegen ist die Bedrohung real.“

Denkbar ist, dass Nordkorea über eine „geboostete“ Spaltbombe verfügt: eine Atombombe mit geringer Menge an Wasserstoffisotopen, die vor allem Neutronen liefern, um die Kernspaltung effektiver zu machen. Mit dieser Technik kann die Sprengkraft erhöht werden, reicht aber nicht an die einer Wasserstoffbombe im engeren Sinne heran.

"Das wäre eine neue Qualität"

Sollte Nordkorea über eine Wasserstoffbombe verfügen, hätten die Machthaber laut Thränert unter Beweis gestellt, dass sie erhebliche Fortschritte bei der Handhabung von Atomtechnologie gemacht haben – ungeachtet der internationalen Sanktionen. „Das wäre eine neue Qualität.“ Dass Nordkorea dabei von China unterstützt wurde, hält Thränert für unwahrscheinlich. „Dies würde nur noch mehr Unruhe in die Region tragen und dazu führen, dass Amerika mehr Präsenz zeigt. Das ist aber nicht in Pekings Interesse.“ Vermutlich stütze sich Pjöngjang bei der Raketentechnik auf Kenntnisse von Wissenschaftler aus der ehemaligen Sowjetunion.

Für das waffenfähige Material greift Nordkorea auf eigene Vorkommen zurück. In dem Land gibt es mehrere Uranminen. 2013 beschloss das Kabinett, dass „die Suche nach Uranerz ausgebaut und die Produktion gesteigert“ werden solle. (mit dpa)

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