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Politik: Viele Solisten im deutschen Chor

In der Frage, wie die Bundesrepublik in Brüssel vertreten wird, sind die Fronten zwischen Bund und Ländern hart

Berlin - In Brüssel ist Deutschland üppig vertreten. Nicht nur die Bundesregierung tummelt sich dort, auch 16 Bundesländer versuchen Einfluss zu nehmen, dokumentiert durch mehr oder weniger große EU- Vertretungen. Doch Masse macht’s nicht immer. Deutschland gilt bei der EU als schlecht vertreten, auch weil das Beieinander von Bund und Ländern nicht klappt.

Das Problem: Nach dem Grundgesetz ist die Vertretung in Brüssel nicht allein Sache der Bundesregierung wie bei der klassischen Außenpolitik. Der Artikel 23 garantiert den Bundesländern weit gehende Mitwirkungsrechte. Wenn ihre Interessen betroffen sind (und das ist bei EU-Recht oft der Fall), muss die Meinung des Bundesrats „maßgeblich“ berücksichtigt werden. Zugespitzt gesagt: Oft sitzt der deutsche Vertreter in Brüssel in seinem Gremium und weiß nicht, wie er sich verhalten soll, weil er eigentlich mit dem Bundesrat Rücksprache nehmen müsste. Das führt oft zur Enthaltung, im Brüssel-Jargon auch „German vote“ genannt. Sind die ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen (etwa bei Kultur und Bildung), dürfen die Länder sogar einen eigenen Vertreter statt der Bundesregierung in Brüssel auftreten lassen.

Nach Ansicht der Bundesregierung kann das so nicht weitergehen. Deutschland spreche in Brüssel im Gegensatz zu allen Mitgliedern nicht mit einer Stimme. Im Übrigen funktioniere die deutsche Interessenvertretung nur, weil die Länder ihre Rechte in der Praxis oft gar nicht beanspruchten. Nun soll die Föderalismuskommission das richten. Das „komplizierte“ Verfahren“ müsse vereinfacht werden, fordert die Bundesregierung. Sie möchte eine Neufassung des Artikels 23. „Da bleiben wir hart“, sagt Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Die Länder kommen aber nicht entgegen. Von ihrem Mitwirkungsrecht wollen sie nicht lassen. Man habe hier eine „sehr feste Position“, sagt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Ein Kompromiss auf Verfassungsebene ist so nicht absehbar. Gerät dadurch nun ein Gesamterfolg der Föderalismuskommission in Gefahr?

Der Hannoveraner Staatsrechtler Hans-Peter Schneider, Sachverständiger in der Kommission, sieht den Weg aus der „Dissonanz der deutschen Vielstimmigkeit in Europa“ eher „unterhalb der Verfassung“. Bund und Länder sollten sich auf ein effektiveres Verfahren in der Praxis verständigen, zu dem beide Seiten beitragen müssten. So soll in der Bundesregierung nach Schneiders Modell ein eigenständiger Europaminister geschaffen werden (bisher hat das Außenministerium die Verantwortung), der in Brüssel als einziger deutscher Vertreter auftritt („Mr. Germany“). Die Interessen der Länder soll dagegen die Europakammer des Bundesrats bündeln, die möglichst wöchentlich zusammenkommen soll, damit die Bundesregierung einen ständigen Ansprechpartner hat. Der Vorsitzende der Kammer wiederum soll als Bevollmächtigter aller Länder in Brüssel auftreten und mit den Leitern der EU-Vertretungen der Länder den Europaminister des Bundes in einem Beirat unterstützen. Ob es zu einer solchen Straffung des Verfahrens kommt? Im föderalistischen Österreich jedenfalls, berichten Fachleute, klappe die Euro-Abstimmung zwischen Bund und Ländern besser. In der Föderalismuskommission heißt es zum Thema Europa nur lapidar: „Die Angelegenheit ist völlig offen.“

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