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Utopie? Am Münchener Odeonsplatz nahmen am Freitagabend 20 000 Christen an einer Vesper nach orthodoxem Ritus teil. Das urchristliche „Liebesmahl“ mit russischen Chören und gemeinsamem Verzehr von Brot, Äpfeln und Wasser könnte katholischer und evangelischer Kirche Vorbild sein – für ein gemeinsames Abendmahl.

© ddp

Ökumenischen Kirchentag: Viele Zeichen, kein Impuls

Beim Ökumenischen Kirchentag gibt es kaum echte Annäherung zwischen den Religionen. In München gab es zwar durchaus auch einige positive Zeichen, ein Impuls freilich wird daraus noch nicht.

„Wäre das nicht wunderbar, wir feiern jetzt das Abendmahl“, singt das ökumenische Kabarettensemble „Das weißblaue Beffchen & Cherubim“ in der Eingangshalle der Münchner Messe. Die einen Sänger haben sich Beffchen umgehängt, ein Bestandteil der evangelischen Amtstracht, die anderen haben sich wie katholische Pfarrer ganz in Schwarz gekleidet. Spontan bleiben etliche Dutzend Kirchentagsbesucher stehen und klatschen und singen mit. Die Gruppe spricht mit ihrem Auftritt vielen aus dem Herzen. Wann dürfen Katholiken und Protestanten endlich gemeinsam Abendmahl feiern? Wann überwinden die Kirchen ihre Differenzen im Amtsverständnis, ihre unterschiedlichen Auffassungen darüber, was eine christliche Kirche ausmacht?

Tausendfach und drängend wurden diese Fragen in den vergangenen Tagen bei den gut besuchten Podiumsdiskussionen, Vorträgen und „Erlebnis-Gottesdiensten“ zur Ökumene gestellt. Dass dieser zweite Ökumenische Kirchentag „wichtige Impulse“ für das Verhältnis der beiden Amtskirchen bringt, das hatten sich auch die evangelischen Kirchenoberen gewünscht. Die katholischen hielten sich lieber zurück mit allzu großen Erwartungen.

Vor sieben Jahren, beim ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin, sah das noch anders aus. Damals lag so viel Optimismus in der lauen Vorsommerluft, dass die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sogar zu einem gewagten Experiment einlud: Bei einem Gottesdienst lud zuerst ein katholischer Priester die evangelischen Christen zur Eucharistie ein, bei einem zweiten Gottesdienst nahm ein katholischer Priester am evangelischen Abendmahl teil. Beides ist nach katholischem Verständnis nicht erlaubt. Die beiden Geistlichen wurden auch prompt von ihren Bischöfen suspendiert. Ein solches Experiment wagte in München keiner mehr. Die Amtsenthebung war ein erster Dämpfer für die ökumenische Sache, in den vergangenen sieben Jahren lief aber auch vieles andere schief zwischen den beiden Kirchen, so dass manche jetzt von einer „ökumenischen Eiszeit“ sprechen. Dazu beigetragen hat die Bekräftigung von Papst Benedikt XVI., die Protestanten seien keine „Kirche im eigentlichen Sinn“, und seit der Reformation sei es mit den Christen bergab gegangen. Auf evangelischer Seite wollte man sich die Abwertungen aus Rom nicht länger bieten lassen und ging konsequent den eigenen Weg. Bischof Wolfgang Huber prägte die Formel von der „Ökumene der Profile“.

Sozialwort der Kirchen zur Wirtschaftslage im Gespräch

Auch in München blieb die Stimmung gedämpft. Die frühere Bischöfin Margot Käßmann schickte eine Spitze gegen den Papst ab, indem sie die Vielfalt der Christenheit lobte, „die ein Stachel im Fleisch derjenigen ist, die meinen, sie hätten die Wahrheit in Besitz“. Der frühere Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, beklagte eine „neue Enge“ in der Ökumene, die Situation habe sich erschöpft. Auch sehe er eine abnehmende Veränderungsbereitschaft bei Katholiken und Protestanten. Die Bischöfe Reinhard Marx und Johannes Friedrich, der katholische und evangelische Gastgeber des Kirchentages, bemühten sich allerdings redlich um ein freundschaftliches Bild. Die beiden haben einen guten Draht zueinander, begrüßten die Gäste im Eröffnungsgottesdienst im Duett und hatten verabredet, sich gegenseitig bei Veranstaltungen zu vertreten, wenn der eine oder andere aus Termingründen nicht kann.

Dass evangelische und katholische Ehepartner gemeinsam zur katholischen Eucharistiefeier gehen können, da sei man sich theologisch einig, betonte Friedrich. Und auch Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, versprach am Freitag, deswegen in Rom „weiterbohren“ zu wollen. Und auch das könnte es vielleicht bald geben: ein neues Sozialwort der beiden Kirchen zur Wirtschaftslage. Darauf verständigten sich in München der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und der Bischofskonferenz-Vorsitzende Zollitsch. Vorbild soll offenbar das 1997 erschienene Sozialwort „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ sein. Auch will man einen dritten Ökumenischen Kirchentag veranstalten. Wann, ist aber offen. Vielleicht 2017, vielleicht früher, vielleicht später.

Es gab also durchaus auch positive Zeichen in München, ein Impuls freilich wird daraus noch nicht. Dass sich aus dem Reibungsverhältnis der Amtskirchen auch Funken in ganz anderer Richtung schlagen lassen, zeigte eine Veranstaltung am Freitagabend: Da kamen am Odeonsplatz in der Münchner Innenstadt 20.000 Christen zusammen, um an einer Vesper nach orthodoxem Ritus teilzunehmen, einem Relikt der urchristlichen Agapefeier, dem „Liebesmahl“. Rund 10 000 Menschen mussten stehen, 10 000 andere hatten Glück und saßen an Tischen, verfolgten die orthodoxe Liturgie, lauschten russischen Chören und teilten danach gemeinsam Brot, Äpfel und Wasser, die auf den Tischen standen. Theologisch brachte das Ganze nichts. „Wenn sich die katholische und die evangelische Kirche endlich auf ein gemeinsames Abendmahl einigen würden, könnte man sich den ganzen Krampf hier sparen“, sagte ein verbitterter Teilnehmer. Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider hatte hingegen einen positiven Eindruck, den er so ausdrückte: „Die Vesper war die Vorspeise. Jetzt steht noch die Hauptspeise aus.“

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