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Joffe

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Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Jeden Montag beantwortet "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe vier Fragen zur Außenpolitik. Heute über die US-Raketenabwehr, Afghanistan, China und die Buchmesse sowie den Wahlkampf.

Barack Obama suspendiert die Raketenabwehr in Osteuropa. Sind die Polen und Tschechen zu Recht enttäuscht?



Ja, weil Obama den russischen Rivalen besser behandelt als die Freunde. So führt man kein Bündnis. Wenn Obama dafür wenigstens etwas aus Moskau bekommen hätte! Aber Putin und Medwedew denken nicht daran, als Gegenleistung scharfen Druck auf den Iran auszuüben. Sondern sie kassieren ein Geschenk, das viel kostbarer ist als der Verzicht auf Anti-Raketen, die dem russischen Offensivpotenzial nichts anhaben können: ein ungeschriebenes Vetorecht über die strategischen Entscheidungen der Nato. Das hat der Westen 60 Jahre lang zu verhindern gewusst.

Hamid Karsai lässt sich als Sieger feiern – und gibt doch Wahlbetrug zu. Muss der Westen das hinnehmen?

Was sollte er tun – mit den Taliban zusammen Karsai bekämpfen? Anders gefragt: Was haben wir bei Ahmadinedschad getan, obwohl der betrügen, prügeln und morden ließ? Wir haben ihn gemessenen Wortes getadelt, aber sonst nichts, weil die Zeiten, da der Westen in der Dritten Welt die Herrscher gekippt hat, vorbei sind. Im Dilemma gilt die Regel vom kleineren Übel. Besser einen Wahlbetrüger wie Karsai als Wahlenbeender wie die Taliban.

Das Gastland der Frankfurter Buchmesse heißt China. Wie gastfreundlich ist Deutschland?

Alles in D lässt sich erklären durch Wilhelm II und Adolf I – bloß seitenverkehrt. Damals: viel Feind, viel Ehr. Heute: wenig Feind, wenig Ehr. Sorry, „Ehre“ ist falsch. Dieser Begriff ist fast aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Zu macho, zu patriarchalisch. Stattdessen regiert eine freundliche Höflichkeit, die übrigens nicht deutsch, sondern postmodern ist: Alles ist irgendwie verständlich. Ist es auch – bis zu jenem Punkt, wo Intoleranz gegen Intoleranz aufgeboten werden muss. Das haben die Hüter des Buches nicht getan. Sie haben zwei chinesische Dissidenten erst ausgeladen, sich dann dafür beim Regime entschuldigt, dass die beiden trotzdem beim Voraus-Symposion aufgetaucht sind. Ein „rückgratfreier Diskurs“, wie die ,Neue Zürcher Zeitung‘ anmerkte.

Ein letztes Wort zum Wahlkampf ...

Auf der Zielgeraden ist es spannender geworden, als es die plaudernde Klasse wochenlang beklagt hat. Steinmeier hat plötzlich den Tritt gefunden, aus dem Merkel geraten ist. WmdW hat nur eine Weisheit parat; sie kommt aus dem Englischen: „24 Stunden sind eine Ewigkeit in der Politik.“ Oder: Das Volk lässt sich nicht in die Karten schauen, und abgerechnet wird erst am Wahltag. Deshalb sollten alle am Sonntag mitspielen.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Fragen: Malte Lehming.

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