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Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Achten statt ächten und keinen Capo dei Capi neben sich dulden

20 Jahre Einheit: Wie hat sich das vereinigte Deutschland in die Welt eingepasst?

Unglaublich gut. Damals wollte niemand in Europa die Wiedervereinigung – und Amerika nur, wenn das ganze Germanien in der Nato bliebe. Alle alten Ängste vor einem zu großen D in einem zu kleinen Europa kochten wieder hoch – kein Wunder, angesichts 1871ff. Heute lässt sich das große Wunder mit zwei Pünktchen illustrieren. Die sind vom Ä wie Ächtung verschwunden, geblieben ist das A wie Achtung. Zum ersten Mal sind die Deutschen nur von Freunden umzingelt, und die haben sie sich ehrlich verdient. Statt Pickelhaube Pazifismus; statt Knobelbecher Nikes (Hackenschlagen unmöglich). Niemand hätte 1945 auch nur fantasiert, dass in D. eine so stabile und liberale Demokratie erblühen würde.

Der russische Präsident Medwedew entlässt den Moskauer Bürgermeister und Putin-Günstling Luschkow. Emanzipiert er sich damit von Wladimir Putin?

Nix Emanzipatzija, sondern Imitatzija. Schon Putin hat die Provinzgouverneure, zu denen auch der Moskauer OB gehört, entmachtet; fortan wurden die einst Gewählten vom Kreml ernannt. Luschkow, 18 Jahre im Amt, war ein unabhängiges Machtzentrum, ein Pate der Don-Corleone-Klasse, der immer wieder gewählt und dabei mit seiner tüchtigen Baulöwin-Gattin Jelena zum Dollar-Milliardär wurde. Unter dem neo-zaristischen Regime Putin/Medwedew darf einer zwar in Rubeln rollen, aber nicht auch noch Macht haben, und deshalb musste Luschkow vor der Präsidentenwahl (März 2012) weg – wie all die anderen Provinzchefs, die M. entlassen hat. „Du sollst keinen Capo dei Capi neben mir haben“, lautet das Gesetz. Damit signalisiert M., dass er eine zweite Amtszeit gegen Putin erkämpfen will.

Sigmar Gabriel in Deutschland, Ed Miliband in Großbritannien: Rücken Europas Sozialdemokraten wieder nach links?

Sieht so aus, obwohl man Sigmar G. nicht unterstellen möge, das Prinzip sei ihm wichtiger als die Macht. Die Frage ist nur, ob links mehr zu holen ist, zumal sich dort schon andere Linksparteien tummeln: von Schwarz über Grün bis zu Ganz-Rot. Im Rückblick war die Blütezeit der Sozen die Ära von Tony „Dritter Weg“ Blair und Gerhard „Hartz IV“ Schröder. Auch wenn der Kapitalismus wieder eine zyklische Krise erlebt, was soll denn an seine Stelle treten? Die Pleite der Landesbanken (und der Boom der Deutschen) lassen den Staat nicht wie ein besserer Manager aussehen.

Ein Wort zu Amerika …

Auch hier brilliert der Staat nicht. Keiner hat mehr öffentliche Mittel gepumpt als Obama, nirgendwo war die Ernte so mager. In den USA sind heute 4,6 Prozent weniger Leute in Arbeit als vor Beginn der Krise. In Euroland beträgt das Minus nur 1,7 Prozent. In fünf Wochen wird gewählt.

– Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“ und lehrt bis Ende des Jahres an der Stanford University. Fragen: mos.

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