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Missstimmung im Wahlkampf. Der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin

© Reuters

Vier Wochen vor der Bundestagswahl: Grüne streiten um Pkw-Maut

Der Grünen-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, Jürgen Trittin, ist auf Distanz zu der Forderung gegangen, eine umfassende Pkw-Maut für alle Straßen einzuführen. An die Adresse seines Parteifreundes, des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann, warnte Trittin von einem Abzocken von Autofahrern.

Von Matthias Meisner

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kann für seine Forderung, eine umfassende Pkw-Maut für alle Straßen einzuführen, derzeit selbst in den eigenen Reihen keine Mehrheit organisieren. Der Spitzenkandidat der Grünen bei der Bundestagswahl, Jürgen Trittin, erklärte: "Grüne sind gegen eine Pkw-Maut. Nur weil der baden-württembergische Verkehrsminister meint, Geld zu brauchen, zocken wir nicht die Autofahrer ab."

Sehr skeptisch äußerte sich auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag. Er sagte am Montag dem Tagesspiegel, ein entfernungsabhängiges Mautsystem für Pkw scheitere in Deutschland einfach an der Vielzahl der Fahrzeuge. Schon bei der Durchsetzung der Lkw-Maut sei man an die Grenzen der technischen Machbarkeit gestoßen. Dabei sei es aber nur um rund 600 000 Lastwagen gegangen. Dagegen seien zwischen 41 Millionen und 43 Millionen Autos mit Zulassung in Deutschland unterwegs - ausländische Fahrzeuge auf deutschen Straßen kämen noch hinzu. Hofreiter sprach von einer "Gespensterdebatte", weil ein entfernungsabhängiges Mautsystem für Pkw in Deutschland "nicht vernünftig realisierbar" sei. Ein Häuschensystem mit Mautstellen wie in anderen europäischen Ländern wäre wegen des großen Autobahnnetzes in Deutschland so teuer, dass die Einnahmen mehr als zehn Jahre lang von den Investitionskosten aufgefressen würden. Ein Vignettensystem, das Viel- und Wenig-Fahrer gleich belastet, hingegen werde auch in seiner Partei allgemein abgelehnt, erklärte Hofreiter.

Hermann hatte am Wochenende im Gespräch mit dem Tagesspiegel eine unabhängige Pkw-Maut für alle Straßen verlangt. "Sie ist die beste Lösung. Mit einem satellitengestützten System ließe sich die vorhandene Infrastruktur viel besser nutzen", sagte der Minister in der grün-roten Landesregierung. "Wir müssen den Verkehr stärker steuern, statt immer nur dem Stau hinterher zu bauen." Hermann schlug vor, die Maut je nach Tageszeit und befahrener Strecke zu staffeln. "Wer zur Hauptverkehrszeit mit seinem Pkw in Ballungsräumen unterwegs ist, müsste mit einer intelligenten Maut deutlich mehr zahlen als jemand, der nur gelegentlich auf kurzen Strecken oder im ländlichen Raum unterwegs ist."

Trittin dagegen machte als Verursacher der wachsenden Probleme auf deutschen Straßen nicht die Autofahrer aus, sondern den zunehmenden Güterverkehr. In Übereinstimmung mit der Bundespartei setzte er sich dafür ein, die Lkw-Maut auszudehnen und außer auf den Autobahnen auch auf Bundesstraßen zu erheben. Außerdem sollte die Lkw-Maut Fahrzeuge bereits ab 3,5 Tonnen erfassen.

Auch in seinem Heimatland Baden-Württemberg musste Hermann für seinen Vorstoß Kritik einstecken. Die in Freiburg erscheinende "Badische Zeitung" kommentierte, mit seinem Vorstoß für weltraumgestützte Bewegungsmelder "sichert sich der notleidende Minister eher einen Platz im politischen Kabarett". Die "Stuttgarter Zeitung" sprach von einer Vision, bis zu deren Umsetzung sehr viele Jahre vergehen und viele Fragen beantwortet werden müssten. Der Zeitpunkt der Hermann-Forderung sei ungeschickt. "Die Grünen im Bundestagswahlkampf mit dem bisher von der CSU beanspruchten Etikett Pkw-Maut zu versehen, kostet mutmaßlich Wählerstimmen und schadet zudem der Sache selbst." Dass Trittin den Landesminister bissig zurechtweise, verwundere nicht. Auch die FDP ist strikt gegen eine Pkw-Maut. Unter Bezug auf die Forderung von Hermann sagte der FDP-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke, sogar, die Grünen wären für ein "Stasi-ähnliches Überwachungs- und Ausforschungssystem".

Die CSU hatte erst vergangene Woche ihre Forderung nach einer Pkw-Maut für ausländische Autos untermauert - und das trotz des Widerstandes der CDU. Die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, erklärte, "dass dies für uns etwas sehr, sehr Wichtiges ist". Die Frage der europarechtlichen Zulässigkeit einer Gebühr allein für Ausländer müsse man "wirklich ernsthaft prüfen und nicht gleich von vornherein sagen, es geht nicht. Wenn man es wolle, "tun sich vielleicht auch Wege auf, dieses zu erreichen."

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