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Besuch in Berlin. Der griechische Vize-Premier Evangelos Venizelos (links) und Finanzminister Wolfgang Schäuble.

© AFP

Präsidentenwahl in Griechenland: Vize-Premier Venizelos: "Kritischer Moment" für Hellas

Ende des Jahres entscheidet sich, ob es zu vorgezogenen Neuwahlen in Griechenland kommt. Die politische Unsicherheit ist zurück in Hellas - und Vize-Regierungschef Venizelos spricht bei einem Besuch in Berlin von einem "kritischen Moment" für sein Land.

Das große Zittern beginnt wieder. Wenn sich am 17. Dezember gegen 19 Uhr Ortszeit die Abgeordneten des griechischen Parlaments zur Wahl des Staatspräsidenten versammeln, markiert die Zusammenkunft den ersten Akt einer Neuauflage des Griechenland-Dramas. Vor vier Jahren stürzte Griechenland die Euro-Zone in eine tiefe Krise. Die Schuldenländer Irland, Spanien und Portugal haben den Euro-Rettungsschirm inzwischen wieder verlassen. Anders der Sonderfall Griechenland – hier ist die wirtschaftliche Lage immer noch sehr fragil. Und die Situation könnte sich weiter zuspitzen, wenn der konservative Kandidat Stavros Dimas bei der Präsidentschaftswahl im Parlament durchfällt.

Das neue Griechenland-Drama wird sich gegen Jahresende in Athen über mehrere Tage hinziehen. Nach dem ersten Wahlgang am 17. Dezember, bei dem Dimas 200 der 300 Stimmen im Athener Parlament erreichen müsste, steht am 23. Dezember ein zweiter Wahlgang und – falls Dimas die nötige Mehrheit erneut verfehlen sollte – am 29. Dezember eine dritte Runde an. Hier braucht Dimas nur 180 Stimmen; die Regierungskoalition zählt 155 Abgeordnete.

Venizelos: Politische Situation muss geklärt werden

Vor einem Treffen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble am Mittwochabend betonte der griechische Vize-Premierminister Evangelos Venizelos in Berlin, warum sich Regierungschef Antonis Samaras zu der politischen Zitterpartie Ende des Jahres entschlossen hat: "Für uns besteht die Hauptaufgabe jetzt darin, die politische Situation zu klären." "Das ist ein sehr kritischer Moment", fügte Venizelos hinzu. Falls Dimas vom Parlament gewählt werde, gebe es bis zu den regulären Parlamentswahlen 18 Monate Zeit, um einen echten wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Eigentlich war die Präsidenten-Kür im Parlament erst im kommenden Februar geplant, aber der Konservative Samaras und der Sozialdemokrat Venizelos suchen als Regierungspartner nun schon früher die Entscheidung. Scheitert Dimas bei der Wahl in der Abgeordnetenkammer, dann kommt es zu Beginn des kommenden Jahres zu vorgezogenen Neuwahlen, aus denen die oppositionelle Linkspartei Syriza laut Umfragen als stärkste Kraft hervorgehen dürfte. Die Syriza möchte neue Bedingungen für die Kredite der internationalen Geldgeber aushandeln.

Bundestag muss sich erneut mit Griechenland befassen

Schäuble sagte, Griechenland sei heute in einer besseren Lage, "als die meisten vor drei oder vier Jahren für möglich gehalten hätten". "Der Weg von Solidarität und Reformen war richtig", fügte er hinzu. "Auf die Solidarität der Europäer und Deutschlands kann sich Griechenland weiterhin verlassen", so Schäuble. Der Finanzminister kündigte an, dass die Bundesregierung in der kommenden Woche einen Antrag in den Bundestag einbringen werde, um eine Verlängerung des Ende 2014 auslaufenden Hilfsprogramms für Griechenland um zwei Monate zu ermöglichen. Auf diesem Wege könnten die laufenden Verhandlungen zwischen Athen und der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zum Abschluss gebracht werden. Am Sonntag hatte das Parlament in Athen einen Etat für das kommende Jahr verabschiedet, der nach Angaben der Regierung nahezu ausgeglichen ist. Dies wird von der Troika allerdings bezweifelt. An den Meinungsverschiedenheiten zwischen der Troika und Athen hängt die Auszahlung der letzten Hilfstranche in Höhe von 1,8 Milliarden Euro.

Analyst: Politiker in Griechenland haben aus der Krise nichts gelernt

Der Termin für die Präsidentschaftswahl am Jahresende ist klug gewählt, weil an den Börsen zu diesem Zeitpunkt wenig gehandelt wird und eine negative Reaktion der Finanzmärkte auf ein mögliches Scheitern des ehemaligen EU-Kommissars Dimas im Parlament dann nicht so stark ins Gewicht fallen würde. Einen Vorgeschmack auf das finanzpolitische Beben, das ein derartiger Wahlausgang zur Folge haben dürften, lieferten die Finanzmärkte am Dienstag. Der Leitindex der Athener Börse brach um fast 13 Prozent ein – der größte Tagesverlust seit 2008. Am Mittwoch gab es zwar auch Verluste an der Athener Börse, aber der Index schloss am Ende des Handelstages nur mit einem Prozent im Minus.

Der Athener Analyst George Tzogopoulos hält es für einen klugen Schachzug, die Präsidentenwahl um zwei Monate vorzuziehen und damit gegebenenfalls schneller zu vorgezogenen Neuwahlen zu kommen. Die Chancen, dass der Präsidentschaftskandidat Dimas Ende des Jahres eine Mehrheit erhält, schätzt Tzogopoulos auf 50 : 50. Käme es zu Neuwahlen, hält es der Analyst nicht für ausgeschlossen, dass – ähnlich wie im Jahr 2012 – zwei Parlamentswahlen nötig sind, bevor eine stabile Regierungsmehrheit zu Stande kommt. „Wenn Syriza zur stärksten Partei wird, heißt das nicht zwangläufig, dass sie auch zur Regierungsbildung in der Lage sind“, sagt er zur Begründung.

In jedem Fall stünde Griechenland eine längere Phase der politischen Instabilität bevor, wenn Dimas nicht die nötige Stimmenmehrheit im Parlament bekommt. „Fünf Jahre nach dem Beginn der Euro-Krise diskutieren wir wie am Anfang immer noch über den Mangel an Konsens unter den Politikern in Griechenland“, klagt Tzogopoulos. „Die Parteien sind unfähig, eine gemeinsame Plattform zu finden“, moniert er.

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