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Völkermord: Serbien haftet nicht

Der Internationale Gerichtshof hat das Massaker von Srebrenica von 1995 als Völkermord eingestuft. Eine materielle Entschädigung muss Rechtsnachfolger Serbien aber nicht leisten.

Den Haag - Jugoslawien hat im Unabhängigkeitskrieg seiner früheren Teilrepublik Bosnien-Herzegowina die internationale Konvention zur Ächtung des Völkermordes verletzt. Dies entschied der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Jugoslawien treffe zwar keine unmittelbare Schuld an der Ermordung von mehr als 7000 bosnischen Muslimen in Srebrenica im Juli 1995, es hätte jedoch versuchen müssen, dieses Massaker zu verhindern.

Mit seinem Urteil gab das höchste Gericht der Vereinten Nationen einer Klage Bosnien-Herzegowinas von 1993 teilweise statt. Kurz nach seiner Unabhängigkeit von Jugoslawien wollte Bosnien Belgrad auch für den Völkermord verantwortlich machen.

Auslieferung Mladics steht noch aus

Die vom damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic geführte Regierung in Belgrad, die die bosnischen Serben massiv unterstützte, hätte das Risiko eines derartigen Massakers erkennen müssen, urteilte das Gericht. Nach der UN-Konvention gegen den Genozid hätte sie alles tun müssen, um einen Völkermord zu verhindern. Außerdem hätte sie für eine Bestrafung der Verantwortlichen sorgen müssen. Gegen diese Verpflichtung verstoße das heutige Serbien noch immer, weil es den wegen Völkermords angeklagten bosnisch-serbischen General Ratko Mladic nicht an das UN- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausliefert. Serbien ist einziger Rechtsnachfolger für das frühere Jugoslawien.

Allerdings konnte Bosnien-Herzegowina mit seiner bereits 1993 eingereichten Klage nicht erreichen, dass Belgrad wegen direkter Beteiligung am Völkermord oder Beihilfe dazu verurteilt wird. Nach Auffassung der obersten Richter der Vereinten Nationen waren die Armee und die Verwaltung der bosnischen Serben in der Zeit des Unabhängigkeitskriegs nicht Jugoslawien zuzurechnen. Auch einzelne Verantwortliche auf der bosnisch-serbischen Seite hätten Belgrad nicht direkt unterstanden.

Bosnische Serben verantworten Massaker von Srebrenica

Das Massaker von Srebrenica sei nicht auf Anordnung oder unter der Kontrolle der jugoslawischen Regierung verübt worden, stellte das Gericht fest. Die Entscheidung dazu habe vielmehr die militärische Führung der bosnischen Serben getroffen. Jugoslawien habe sich auch nicht der Beihilfe zum Völkermord schuldig gemacht. Zwar habe es die bosnischen Serben politisch, finanziell und militärisch massiv unterstützt. Doch sei nicht nachgewiesen, dass die Führung in Belgrad Kenntnis davon gehabt habe, dass ihre Verbündeten mit dieser Hilfe einen Völkermord begehen wollten.

Das Gericht untersuchte in seinem umfangreichen Urteil neben Massaker von Srebrenica zudem zahlreiche andere an bosnischen Muslimen während des Bürgerkrieges begangene Gräueltaten. In diesen Fällen gibt es jedoch dem Urteil zufolge keine Beweise für die zentrale Voraussetzung zur Einstufung als Völkermord: die Absicht zur gezielten Auslöschung einer fest umrissenen Gruppe von Menschen - hier der bosnischen Muslime - in ihrer Gesamtheit oder in Teilen.

Keine materielle Entschädigung für Bosnien

Da Jugoslawien nach diesem Urteil weder Völkermord begangen noch Beihilfe dazu geleistet hat, wurde die darauf gegründete Forderung Bosnien-Herzegowinas nach einer Entschädigung abgewiesen. Für das Unterlassen eines Versuchs zur Verhinderung hat Bosnien einen entsprechenden Urteilsspruch als ausreichende Entschädigung angesehen.

Dieses Verfahren lief unabhängig von den Prozessen vor dem UN- Kriegsverbrechertribunal, das sich seit 1993 ebenfalls in Den Haag mit einzelnen Angeklagten beschäftigt. Unter anderem war dort Milosevic wegen Völkermords angeklagt, doch starb er im März 2006 vor einem Urteilsspruch. Mladic und der mitangeklagte damalige politische Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, sind seit Jahren untergetaucht. (tso/dpa)

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