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Perthes

© dpa

Volker Perthes: "Vor Hoffnungen auf eine andere Welt warne ich“

Der Außenpolitikexperte Volker Perthes spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Barack Obama als möglichen Präsidenten der USA.

Herr Perthes, mit Obama verbinden viele Deutsche die Hoffnung auf ein anderes Amerika, eine glaubwürdigere Politik, vielleicht sogar auf eine andere Welt. Ist das berechtigt?

Vor Hoffnungen auf eine andere Welt würde ich warnen. Es stimmt aber, dass wir einige bedeutende Veränderungen der US-Politik erleben werden, wenn Barack Obama gewählt würde. Er würde nicht die Grundstrukturen der amerikanischen Politik ändern, aber völlig andere persönliche Akzente setzen als George W. Bush. Er würde andere Länder viel stärker konsultieren. Die Bedeutung des Klimaschutzes schätzt er ähnlich hoch ein wie seine europäischen Partner. Schließlich setzt er viel stärker auf diplomatische Lösungen als Bush. Das würde aber nicht bedeuten, dass die Supermacht auf die allein ihr zur Verfügung stehenden militärischen Optionen grundsätzlich verzichtet.

Die Zeit der US-Alleingänge mit gefügigen Verbündeten wäre zu Ende. Würden die Partner nur nach ihrer Meinung gefragt oder müssten sie auch etwas liefern?

Wenn ich jemanden nach seiner Meinung frage, dann erwarte ich von ihm auch, dass er zur Lösung des Problems beiträgt. Die Europäer und die Deutschen würden stärker einbezogen in Entscheidungsprozesse. Aber wenn diese Konsultationen abgeschlossen sind, wird der neue Präsident auch fragen: Was trägt jeder Partner dazu bei?

Obama will weniger Truppen im Irak, mehr in Afghanistan. Müssen die Deutschen dann auch mehr Truppen an den Hindukusch schicken?

Wenn gemeinsam eine neue Strategie für Afghanistan ausgearbeitet ist, werden auch die Europäer und die Deutschen erklären müssen, welche zusätzlichen Aufgaben sie übernehmen. Das kann heißen mehr Truppen, mehr Polizeiausbilder oder mehr zivile Hilfe. Es kann auch heißen, dass von den Deutschen dann erwartet wird, dass sie die regionale Beschränkung des Bundeswehreinsatzes aufgeben, den Vorbehalt, dass deutsche Soldaten außer in Ausnahmefällen nur im Norden des Landes eingesetzt werden können. Auch ein Präsident Obama wird verstehen, dass die deutsche Regierung innenpolitische Stimmungen berücksichtigen muss. Aber es ist immer leichter, eine Anfrage von Bush abzulehnen als die eines Präsidenten, den man sich selbst als Partner gewünscht hat.

Gilt die Regel nur für Afghanistan?

Keineswegs. Das gilt auch für Entscheidungen der Bush-Regierung, die wir anders als den Irakkrieg nicht für falsch hielten. Nehmen wir den Globalen Fonds zum Kampf gegen Aids, Malaria und TBC. Die USA haben die größten Beiträge geleistet. Auch hier wäre es schwerer, die Forderung eines Präsidenten Obama nach mehr europäischer Hilfe abzulehnen.

Wird Obama im Atomstreit mit dem Iran anders agieren als sein Vorgänger?

Sogar die Regierung Bush hat ja ihren Kurs schon um 180 Grad gewendet, nachdem sie den Versuch, eine diplomatische Lösung zu finden, bis 2006 noch abgelehnt hatte. Nun schickt Washington sogar eigene Emissäre zu den Verhandlungen. Deshalb wird es für Obama leichter sein, seine eigene Agenda der Verhandlungen umzusetzen. Es wird für die Republikaner schwerer, ihn anzugreifen. Der iranische Präsident Ahmadinedschad hat aber großes Interesse daran, noch vor der US-Wahl die Beziehungen zu Washington zu verbessern. Im Iran wird 2009 der Präsident gewählt. Es käme dort gut an, wenn Ahmadinedschad zumindest den Eindruck erwecken könnte, er käme mit den USA ins Geschäft und könnte wieder Beziehungen zu Washington auf Augenhöhe etablieren. Deshalb hat sich Ahmadinedschad auch für den Vorschlag ausgesprochen, in Teheran eine US-Interessenvertretung zu eröffnen.

Erwarten Sie eine reine Ansprache an die US-Wähler oder auch Signale an die Europäer?

Ich denke, wir werden auch Sätze oder Passagen hören, in denen Obama sein Verständnis vom transatlantischen Verhältnis erläutert. Aber eines ist klar. Sinn dieser Rede ist es, die Wahlen in den USA zu gewinnen. Er wird sich hüten, irgendetwas zu sagen, was in europäischen Ohren gut klingt, aber seine Chancen in den USA schmälern würde.

Das Gespräch führte Hans Monath.

Volker Perthes ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Bis März 2005 arbeitete Perthes als Leiter der Forschungsgruppe Naher Osten und Afrika der Stiftung.

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