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Volker Ratzmann: Vater statt Vorsitzender

Volker Ratzmann will nicht mehr Grünen-Chef werden. Der Weg für Konkurrent Cem Özdemir ist frei.

Von
  • Sabine Beikler
  • Hans Monath

Der Berliner Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann verzichtet aus familiären Gründen auf seine Kandidatur für den Parteivorsitz. Es seien „sehr private und persönliche Gründe“, die ihn zu dieser Entscheidung bewogen hätten, sagte der 48-Jährige am Donnerstag. Er erwarte mit seiner Lebensgefährtin Kerstin Andreae, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, im März ein Kind. Seine Lebensgefährtin „will und soll“, sagte Ratzmann, als Spitzenkandidatin in Baden-Württemberg erneut für den Bundestag kandidieren. Deshalb werde er hauptsächlich die Verantwortung für das Kind übernehmen. „Ich sehe nicht, dass das Amt des Bundesvorsitzenden und die Arbeit einer Bundestagsabgeordneten mit der Erziehung eines kleinen Kindes zusammengehen“, sagte Ratzmann.

Mit seinem Rückzug wird es voraussichtlich keine Kampfkandidatur um die Nachfolge des scheidenden Parteichefs Reinhard Bütikofer geben: Als einziger Kandidat mit Unterstützung des Reformerflügels stellt sich der grüne Europaabgeordnete Cem Özdemir auf einem Bundesparteitag am 14. November in Erfurt zur Wahl. Die Wiederwahl der parteilinken Kandidatin Claudia Roth auf den zweiten Posten in der Doppelspitze der Grünen gilt ohnehin als sicher.

Ratzmann bezeichnete die Chancen im „fairen Wettkampf“ um den Parteivorsitz „bis zum Schluss als sehr offen“. Er habe jetzt Özdemir seine Unterstützung zugesichert und könne ihm guten Gewissens den Bundesvorsitz „überlassen“. Sein jetziger Rückzug sei aber nicht gleichbedeutend mit einem endgültigen Abschied von bundespolitischen Ambitionen.

Die Grünen müssten mit einem einheitlichen Profil und Geschlossenheit in den Bundestagswahlkampf ziehen, forderte Ratzmann. Es sei Aufgabe der Bundespartei, die Parteiflügel zusammenzubringen, und sich inhaltlichen Fragen wie der Rolle der Grünen im Fünf-Parteien-System zu stellen. Die Grünen müssten attraktivere Strukturen aufbauen und die Kreis- und Landesverbände einbinden, sagte er.

Cem Özdemir sagte, er respektiere die Entscheidung Ratzmanns. Den politischen Wettbewerb um das Amt des Parteichefs habe er als „außerordentlich fair“ empfunden. Er freue sich, auch künftig mit Ratzmann zusammenzuarbeiten. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die Ratzmanns Kandidatur unterstützt hatte, bezeichnete dessen Rückzug als „respektable Entscheidung aus persönlichen Gründen“. Jetzt gebe es nur noch einen Kandidaten. Alle Reformer seien nun aufgerufen, Özdemir zu unterstützen. Auch der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Grünen, Arndt Klocke, zollte Ratzmann „Respekt“. Dass er seiner Familie den Vorrang gebe, sei eine „völlig nachvollziehbare Entscheidung“.

Bei den Grünen wird nicht damit gerechnet, dass nun ein weiterer chancenreicher Kandidat seinen Hut in den Ring wirft. Denn nach Bütikofers Verzichtserklärung im März war lange unklar, welcher jüngere Vertreter des Reformerflügels Anspruch auf seine Nachfolge erheben würde. Mehrere potenzielle Kandidaten sagten mit Verweis auf Mütter- oder Väterpflichten ab. Man könne nicht vier Kinder zeugen „und sich danach aus dem Staub machen“, um Parteichef zu werden, erklärte etwa Schleswig-Holsteins Grünen-Chef Robert Habeck. Auch Özdemir hatte den zeitraubenden Parteijob zunächst abgelehnt und darauf verwiesen, er wolle nicht bloß der „Grüß-Gott-Onkel“ für seine kleine Tochter werden.

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