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Politik: Volkes Stimme

Politiker fordern die Direktwahl des Bundespräsidenten – damit das Gezerre um geeignete Personen ein Ende hat

Von Robert Birnbaum

Wahrscheinlich hat Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie die Stimmung am besten getroffen. Nach dem Gezerre der letzten Wochen habe er große Lust zu fordern, der Bundespräsident sollte demnächst vom Volk gewählt werden. Was bisher als eher skurrile Außenseiter-Idee der FDP galt, finden auf einmal verdächtig viele jedenfalls nicht ganz abwegig. „Es gibt sicherlich Argumente, die dafür sprechen“, sagt die CDU-Chefin Angela Merkel. Er persönlich hätte keine Probleme mit einer Direktwahl, meint Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Jürgen Rüttgers. Auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker plädiert klar dafür.

Nur – außer Weizsäcker fügen all die neuen Freunde eines neuen Wahlverfahrens für das Staatsoberhaupt immer auch ein großes „Aber“ an. Matschie zum Beispiel weist auf ein Problem hin, das nach trockener Demokratietheorie klingt, aber große praktische Folgen hat. Ein direkt gewählter Präsident müsste stärkere Befugnisse bekommen, als er heute hat. Außer in der Notlage, dass eine Regierung an einer geschwundenen Mehrheit zerbricht, hat der Bundespräsident mit praktischer Politik nichts zu tun. Selbst das Recht, Gesetze bei Bedenken gegen ihre Verfassungsmäßigkeit nicht zu unterzeichnen, kommt kaum je zum Tragen. Diese Schwäche ist eine Lehre aus der Stärke der Präsidenten in der Weimarer Republik, die zuletzt ihr Ende mit herbeiführte. Ein direkt gewählter Präsident aber hätte eine höhere demokratische Legitimation als der indirekt vom Bundestag gewählte Kanzler.

Andere kleiden ihr höfliches Nein in allgemeine Floskeln. Merkel spricht von „Für und Wider“, die es abzuwägen gelte, Rüttgers erinnert daran, dass diese Debatte seit 30 Jahren ergebnislos immer wieder angezettelt werde. Und selbst Weizsäcker räumt ein, er werde wohl vergeblich auf eine Mehrheit für die nötige Verfassungsänderung warten.

Tatsächlich gibt es auch bei SPD und Grünen kaum Neigungen zur Direktwahl. Das zentrale Argument von Grünen-Chefin Angelika Beer bis zum SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz: Noch ein Wahlkampf, diesmal um das Staatsoberhaupt, tue der Würde des Amtes garantiert keinen Gefallen. Eine „Schlammschlacht“ fürchtet Beer.

Auch die Direktwahl-Debatte also nur eine Nachwehe der aktuellen Kandidatenkür? Weizsäcker findet die härtesten Worte dafür: „Der Nominierungsprozess war persönlich beschämend und machtpolitisch verblendet“, sagt er „Focus“. Da sei eine ernste Entscheidung „nur für andere, zumal persönliche Zwecke taktisch instrumentalisiert“ worden. Hätte die Unionsführung Wolfgang Schäuble Anfang Dezember letzten Jahres als Kandidaten aufstellen wollen, hätte sie das auch gegen den Widerstand der FDP durchsetzen können, betont er.

Was die bestreitet, auch wenn sie nicht allein den schwarzen Peter haben will. FDP-Chef Guido Westerwelle sagt, die Widerstände gegen Schäuble auf Seiten der Union seien „offensichtlich“ gewesen. Er habe schon im vorigen Oktober Hessens CDU-Chef Roland Koch auf die Haltung der FDP hingewiesen, dass es unverantwortlich wäre, einen Kandidaten ohne sichere Mehrheit vorzuschlagen. Die ganze Unionsführung habe das gewusst. Was CSU-Chef Edmund Stoiber wieder anders sieht: Bis zur Hamburg-Wahl habe ihm gegenüber die FDP keinen Kandidaten ausgeschlossen.

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