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Politik: Volksentscheid: Rückschlag für die Stärkung "demokratischer Beteiligungsrechte"

Da muss einer Reue zeigen. "Das war mein jährlicher Flop" bekennt Günter Verheugen, der EU-Ost-Erweiterung und Volksentscheid gedanklich verknüpft hatte.

Da muss einer Reue zeigen. "Das war mein jährlicher Flop" bekennt Günter Verheugen, der EU-Ost-Erweiterung und Volksentscheid gedanklich verknüpft hatte. Der EU-Kommissar hat dafür Prügel von allen Seiten bezogen. Auch SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat sich dagegen geäußert. Seine Begründung: "Es entsteht der Eindruck, als wenn man da jetzt eine Bremse einbauen wollte. Das kann man nicht wollen. Und es würde das Instrument Volksentscheid sofort diskreditieren." Das will Müntefering nicht. Denn er ist dafür, hat seine SPD im April überraschend damit konfrontiert und ein kühles Echo gefunden.

Jetzt erlebt seine Idee im Windschatten von Verheugens "Flop" ein kleines Hoch. "Natürlich," antwortet die grüne Vorstandssprecherin Renate Künast auf die Frage, ob es Volksentscheide geben solle. "Das ist eine alte grüne Forderung." Die Stärkung "demokratischer Beteiligungsrechte" steht als Absichtserklärung in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung. Und trotz der reservierten Reaktionen in den SPD-Gremien arbeiten in der SPD-Fraktion und beim SPD-Vorstand Arbeitsgruppen daran, wie aus Münteferings Vorschlägen etwas werden könnte, Letztere unter Leitung von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.

Der SPD-Generalsekretär hat sich über die Begeisterung der SPD von vornherein wenig Illusionen gemacht. Er habe "drei Argumente" erwartet, hat er dem Tagesspiegel im Juli gesagt: "Das war schon immer so, das war noch nie anders, und da kann ja jeder kommen." Doch der SPD-Generalsekretär ist hartnäckig und hat Ausdauer angekündigt. Der verharrende Widerstand, den er mit den "drei Argumenten" gekennzeichnet hat, richtet sich zudem hauptsächlich auf die Vorschläge aus seinem Reform-Paket, die auf die SPD zielen. Denn neben der Öffnung des Grundgesetzes für mehr plebiszitäre Formen hat Müntefering beispielsweise vorgeschlagen, dass die SPD ihre Listen für Bundes- und Landtagswahlen auch Quereinsteigern öffnet. Müntefering hat die Gelegenheit des Verheugen-Flops genutzt, um für den nicht parteibezogenen Teil seiner Vorschläge erneut zu werben. Die Verfassungsmütter und -väter seien aus der Erfahrung der 20er und 30er Jahre sehr restriktiv mit Volksentscheidungen umgegangen: "Aber unsere Demokratie ist heute so stabil, dass man da offener und liberaler sein kann."

Das glaubt CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz offenbar nicht. Er kritisierte, der Vorstoß Münteferings sei nicht zu Ende gedacht: Mit seinem Vorschlag liefere er "der rechtsextremen Szene eine breite Plattform für ihre Propagandafeldzüge". Eine Änderung des Grundgesetzes müsste auch die Opposition einbeziehen, denn für die Änderung ist eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag nötig. Sowohl in der SPD wie bei den Grünen ist man sich allerdings auch einig, dass die Hürden für Volksabstimmungen oder -entscheide hoch liegen müssen, bei den Quoren wie bei den zulässigen Themen.

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