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Vollzug fürs Prestigeprojekt: Die europaweite Frauenquote für Aufsichtsräte kommt.

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Update

Vollzug des Prestigeprojekts: Bundesregierung lehnt EU-Frauenquote für Aufsichtsräte ab

Die EU-Kommission hat den Vorschlag für ein europäisches Gesetz verabschiedet, mit dem bis zum Jahr 2020 alle Aufsichtsräte großer Unternehmen zu 40 Prozent mit Frauen besetzt werden sollen. In der deutschen Politik aber regt sich Protest.

Die EU-Kommission hat der Männerdomäne in Europas Chefetagen den Kampf angesagt und eine bindende Frauenquote auf den Weg gebracht: Bis 2020 müssen zwei von fünf Aufsichtsratsposten börsennotierter Unternehmen weiblich besetzt sein. So steht es im Gesetzentwurf von Justizkommissarin Viviane Reding, den die Kommission am Dienstag nach hartem internen Ringen beschloss.

Geben Mitgliedsstaaten und EU-Parlament grünes Licht, dann drohen den etwa 5.000 betroffenen Firmen schon ab 2016 Sanktionen: Werden freie Stellen bei gleicher Qualifikation nicht vom jeweils unterrepräsentierten Geschlecht besetzt, müssen die Mitgliedsländer Geldbußen verhängen oder die Ernennungen für nichtig erklären.

„Heute ist ein historischer Tag“, jubelte Reding bei der Vorstellung ihres Gesetzentwurfs. Nach vertanen Jahrzehnten seien heute in Europas Aufsichtsräten nur 13,7 Prozent Frauen vertreten, obwohl 60 Prozent der Hochschulabsolventen weiblich seien. In Deutschland liegt die Quote bei 15,6 Prozent. Bis zu den 40 Prozent ist es also ein weiter Weg.

In der deutschen Politik gibt es allerdings Widerstand, die Bundesregierung weist den Vorstoß der EU-Kommission zurück. „Das muss auf nationaler Ebene geregelt werden“, sagte der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, am Mittwoch in Berlin. Er sagte weiter, eine europäische Regelung verletze den Grundsatz der Subsidiarität. Auch gebe es keine europäische Rechtsgrundlage für eine solche Regelung. Die Bundesregierung sei aber gleichwohl der Auffassung, dass es immer noch zu wenige Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft gebe. Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprachen von „unnötigen Vorgaben“ und „Überregulierung“. Dagegen drängt die Opposition die Regierung, den Vorstoß aus Brüssel zu unterstützen.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung auf eine Sperrminorität hinwirken wolle, reagierte Seibert ausweichend: “Die Bundesregierung wird ihre Meinung auf allen europäischen Ebenen, wo dieses Thema zur Sprache kommt, vertreten.“ Im September habe es bereits einen Brief von neun Mitgliedstaaten gegeben, die den damals noch anders formulierten Vorstoß abgelehnt hätten. Diese neun Länder machten so etwas wie eine Sperrminorität aus. Deutschland habe damals nicht unterzeichnet, unterstütze aber das Anliegen. Auch ein Sprecher von Außenminister Guido Westerwelle sagte, die Bundesregierung stehe dem Vorschlag Redings sehr reserviert gegenüber. Solche Dinge müssten dort geregelt werden, wo es am zweckmäßigsten sei. Sonst werde Europa eher Schaden nehmen als dass es gestärkt werde.

Rückendeckung erhielt Reding hingegen von den Liberalen im EU-Parlament: „Die EU braucht einen radikalen Wandel. Selbstverpflichtungsmaßnahmen haben gezeigt, dass sie weder hinreichend noch effizient sind“, sagte die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin. Wirtschaftskommissar Olli Rehn, der gemeinsam mit Reding den Vorschlag präsentierte, nahm Kritikern aus der Wirtschaft den Wind aus den Segeln: Firmen mit starkem Frauenanteil in der Führungsetage seien erfolgreicher, sagte er. „Gerade in der Krise müssen wir alle Talente nutzen.“

Reding selbst hatte ihren Erfolg am Morgen per Twitter gleich in zwanzig Sprachen hinaus posaunt. „Geschafft“ schrieb sie, nachdem der Vorschlag im Kollegium beschlossen worden war. Noch vor drei Wochen war die Luxemburgerin innerhalb der Kommission abgeblitzt. Gerade viele Kolleginnen aus dem liberalen Lager wie Digital-Kommissarin Neelie Kroes hatten mit einen Nein gedroht, sollte es zur Abstimmung kommen. An zwei Stellen kam Reding den Quotengegnern entgegen. Verbindliche Regeln für Vorstände sind vom Tisch: Anders als die Aufsichtsräte sollen die Managementetagen freiwillig weiblicher gemacht werden. Und überdies wurde klargestellt, dass Redings Richtlinie nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Generell muss nun sichergestellt, werden, dass das unterrepräsentierte Geschlecht bevorzugt wird, im hypothetischen Fall eines frauen-dominierten Vorstandes wären das also die Männer.

Bei den Sanktionen aber gab Reding nicht nach: „Wir müssen bellen und beißen“, sagte sie. Ab 2016 soll die Richtlinie in nationale Gesetze gegossen sein, ab dann müssen die Regierungen Geldbußen verhängen oder die Besetzungen annullieren. „Tun sie das nicht, können wir wegen Vertragsverletzung klagen“, so die Kommissarin. Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von maximal 50 Millionen Euro sind ausgenommen. Für öffentliche Unternehmen soll die Quote schon ab 2018 erreicht werden, weil diese eine Vorbildfunktion haben müssten. Ihren eigenen Arbeitgeber sieht Reding auf gutem Weg: Von den 27 Kommissaren ist heute ein Drittel weiblich.

Während das Parlament hinter Redings Vorstoß steht, regt sich in den Hauptstädten großer Widerstand. Briten und Schweden haben schon neun Länder hinter sich geschart, um das Vorhaben im Rat abzublocken. Die CDU-Frauen freuten sich am Mittwoch hingegen über einen „Etappensieg“. Die Parteiorganisation rief die Bundesregierung auf, in Brüssel für das Gesetz zu stimmen. Auch der Bundesrat macht Druck. Er stimmte im September für eine Quote in Aufsichtsräten, mit dem Ziel, bis 2023 auf einen Frauenanteil von 40 Prozent zu kommen. (dpa, dapd, Reuters)

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