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Politik: Vom Fanal zur Politik (Kommentar)

Die EU ist ein seltsamer Verein. Geboren wurde sie aus eher wirtschaftlichen Erwägungen.

Die EU ist ein seltsamer Verein. Geboren wurde sie aus eher wirtschaftlichen Erwägungen. Doch das Ziel der EU ist mittlerweile viel weiter gesteckt: Es geht um die Beseitigung der Vorherrschaft der Nationalstaaten in Europa. Die EU wird immer mächtiger - doch gleichzeitig ist Politik auf EU-Ebene ein Synonym für Administration und Verwaltung. Jene Politik, die wir auf nationalstaatlicher Bühne als öffentlichen Kampf von Weltanschauungen kennengelernt haben, ist auf EU-Ebene selten. In Brüssel zählen Subvention - keine Ideologien.

Schon deshalb war der Anti-Haider-Boykott der 14 EU-Staaten ungewöhnlich: eine Art politischer Selbstdefinition. Viele Kritiker orakelten damals, die Sanktionen würden gerade das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken: nämlich Haider scharenweise Wähler in die Arme treiben.

Doch bislang ist das Gegenteil der Fall. Haider ist als FPÖ-Vorsitzender zurückgetreten. Wer weiß, ob auch diesem Rückzug wieder mal ein Comeback folgen wird. Und doch scheint erstmals die Möglichkeit auf, dass Haider seine bislang schrankenlose Macht in der FPÖ verlieren könnte. Denn in der FPÖ deutet sich ein Riss an: hier der Regierungsflügel, der Sparpolitik machen und aufs internationale Renommee schauen muss, dort die Extremen, die sich um ihr Idol Haider scharen. Am Horizont taucht damit die CSUisierung der FPÖ auch. Falls es dazu kommt, wird dieser Erfolg zwei sehr verschiedene Väter haben: Wolfgang Schüssel, der auf die Entzauberung der FPÖ durch Regierungsbeteiligung setzt, und die EU, die für den nötigen Außendruck gesorgt hat.

Realpolitisch sind die Sanktionen also ein Erfolg - allerdings fehlt ihnen noch immer eines: ein Kriterium, wann sie aufgehoben werden können. Der Amsterdamer Vertrag, in dem solche Fälle wie die Anti-Haider-Maßnahmen nicht vorgesehen sind, legitimiert sie nicht. Deshalb müsste es nun darum gehen, einen politischen Kriterienkatalog für solche begrenzten Sanktionen zu entwickeln. Dieses Verfahren - erst tun, dann begründen und formalisieren - mag etwas seltsam wirken. Aber anders ist der komplizierte Prozess der Verwandlung von Außen- in Innenpolitik wohl nicht zu haben.

Doch die EU-Staaten haben bislang ihre Hausaufgabe nicht gemacht. Der portugiesische Ratspräsident hat kürzlich verlauten lassen, die FPÖ müsse "ihr Wesen" ändern, dann könnten die Sanktionen aufgehoben werden. Das hätte man doch gerne etwas genauer gewusst. Weil die präzise Begründung der Sanktionen immer noch aussteht, gibt es auch kein Ausstiegsszenario. Wenn die vierzehn nun die Sanktionen beenden würden - wogegen vor allem Frankreich votiert - könnte sich dies womöglich sogar die FPÖ gutschreiben. Ihre Minister fielen kürzlich durch ein paar lächerliche Drohungen via EU auf, die vor allem dazu dienten, ihre Klientel bei der Stange zu halten.

Die EU sollte endlich Kriterien formulieren, ein Stöckchen hinhalten, das Österreich überspringen kann und an dem sich die FPÖ möglichst den Hals bricht.

Stefan Reinecke

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