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Politik: Vom Stolperstein zur Mauer

Von Thomas Gack, Sevilla Am Ende des EU-Gipfels in Sevilla verzichtete Bundeskanzler Gerhard Schröder auf das Mittagessen zum Abschluss des Europäischen Rats mit den Regierungschefs der Kandidatenländer. Fast sah es so aus, als ob er den Osteuropäern aus dem Weg gehen wollte.

Von Thomas Gack, Sevilla

Am Ende des EU-Gipfels in Sevilla verzichtete Bundeskanzler Gerhard Schröder auf das Mittagessen zum Abschluss des Europäischen Rats mit den Regierungschefs der Kandidatenländer. Fast sah es so aus, als ob er den Osteuropäern aus dem Weg gehen wollte. Denn das Gipfel-Treffen hat das Problem der Agrarbeihilfen für die zehn Beitrittsländer nicht klären können. Obwohl dies laut offizieller Linie den rechtzeitigen Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit den zehn Kandidatenländern nicht gefährdet, tut dies das deutsche Verhalten möglicherweise doch. Der Bundeskanzler weist das zurück: „Es bleibt beim Zeitplan, im Dezember beim EU-Gipfel in Kopenhagen abzuschließen.“ Doch dazu reicht vermutlich die verbleibende Zeit nicht mehr aus.

Berlin weigert sich, die europäische Verhandlungsposition zu den strittigen Direktzahlungen an die Bauern der künftigen Mitgliedstaaten festzulegen. Man befürchtet, dass die Übertragung des Systems von direkten Einkommensbeihilfen aus der Brüsseler Kasse auf die Landwirtschaft der osteuropäischen Staaten zu einer Explosion der EU-Agrarkosten und damit auch der deutschen Finanzbeiträge führen könnte. „Finanzielle Dinge mit weit reichenden Folgen kann man erst beschließen, wenn man die Inhalte der Agrarreform kennt“, sagte der Bundeskanzler in Sevilla. EU-Agrarkommissar Fischler wird die Bilanz der EU-Agrarpolitik und Reformvorschläge zwar im Juli vorlegen, die Debatte darüber kann aber erst nach der Sommerpause im September beginnen.

Deutschland und die anderen Nettozahler wie die Niederlande lehnen selbst den Kompromiss der EU-Kommission ab, die Direktzahlungen an die osteuropäischen Bauern schrittweise einzuführen. Frankreich dagegen fürchtet, dass eine Verweigerung der Einkommensbeihilfen für die Bauern auf lange Sicht zur Streichung der Direktzahlungen im Westen führen könnte. Paris will die Landwirtschaft der Kandidatenländern wie die Landwirtschaft im Westen behandeln. Bis in die „ersten Novembertage“ sollen die Agrarminister nach dem in Sevilla erstellten Zeitplan die Interessen der 15 unter einen Hut bringen. Für den November ist eine Sondersitzung geplant. Doch auch wenn dies gelingt, sind die vier bis fünf Wochen bis zum EU-Gipfeltreffen in Kopenhagen im Dezember reichlich knapp, um sich dann wieder mit den EU-Beitrittsländern zu einigen.

Es ist deshalb fraglich, ob die Beitrittsverträge mit den zehn Kandidaten wie geplant in Kopenhagen unterschriftsreif sein werden. Verzögerungen werden unvermeidlich sein – auch wenn der Bundeskanzler geradezu beschwörend davor warnt: „Die riesige Chance der Osterweiterung darf nicht an der kleinlichen Agrarmünze zerbrechen.“

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