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Politik: Von Bank zu Bank

Von Ursula Weidenfeld

Josef Ackermann muss noch einmal vor Gericht, auf die Anklagebank. Er wird sich wieder fragen lassen müssen, ob die millionenschweren Abfindungen und Zusatzzahlungen an den früheren Mannesmann-Chef Klaus Esser nötig waren. Er wird abermals Auskunft über Manager-Ehre und Manager-Seilschaften geben, er wird erneut laut darüber nachdenken müssen, welche Rechte und Pflichten ein Aufsichtsrat hat. Und: Er wird sich prüfen, ob er unter diesen Umständen ein handlungsfähiger Vorstandsvorsitzender für die Deutsche Bank sein kann. Der Aufsichtsrat seines eigenen Hauses wird sich ebenfalls bald mit dieser Frage auseinander setzen – und möglicherweise werden alle schnell zu dem Schluss kommen, dass Ackermann und die Deutsche Bank sich trennen müssen.

Für die Deutsche Bank wäre das ein Schlag. Denn das Geldhaus hat, nach jahrelangen Irrungen, auf einen erfolgreichen Pfad zurückgefunden. Ackermann hat die Bank auf einen internationalen Kurs gebracht, auch auf den Heimatmärkten stimmt das Geschäft weitgehend. Die Umsatzrendite liegt mittlerweile bei der angestrebten Marke von 25 Prozent. Selbst die spektakuläre Entscheidung, den offenen Immobilienfonds DB Real Estate zu schließen, hat dem Haus weniger geschadet als genutzt: Die Deutsche Bank Josef Ackermanns wurde in diesem Jahr zur „Bank des Jahres“ gewählt. Dass er die Früchte seiner Arbeit möglicherweise nicht mehr wird ernten dürfen, ist bitter für Ackermann – entspricht aber internationalen Gepflogenheiten.

Jetzt würde er nicht einmal geschlagen vom Feld gehen. Er würde ein profitables Unternehmen verlassen, in dem die Strukturen im Großen und Ganzen wieder stimmen. In seinen Kreisen – und die internationale Bankerwelt war für Ackermann immer der Maßstab seines Handelns – würde dieser Abgang wohl nicht einmal als unehrenhaft gewertet.

Der Bundesgerichtshof hat nicht nur eine gerechte, er hat auch eine richtige Entscheidung getroffen. Die Sache Mannesmann sei nun auf null gestellt, sagte Ackermanns Verteidiger. Ein Neustart, der allerdings in einem völlig veränderten Umfeld stattfinden wird. Längst sind die anfänglichen Vorurteile – hier: Ackermann schimpfte auf den Standort Deutschland, dort: enttäuschte Anleger und Mannesmann-Mitarbeiter schimpften auf raffsüchtige Raubtierkapitalisten – einer differenzierteren Haltung gewichen. Der unbekümmerte und robuste Umgang mit fremdem Geld, der auf dem Höhepunkt des Börsenbooms gang und gäbe war, ist mittlerweile großer Vorsicht in Vorstands- und Aufsichtsratsetagen gewichen. Die Taktlosigkeiten des Deutsche-Bank-Chefs gegenüber Gericht und Öffentlichkeit – in keinem anderen Land der Welt wage man es, so mit seinen Eliten umzuspringen – haben einer wachen Aufmerksamkeit Platz gemacht.

Insofern wird der zweite Prozess möglicherweise unter denselben Fragen eröffnet, doch die Voraussetzungen sind andere. Der erste Mannesmann-Prozess war neben all seinen spektakulären Einzelszenen der Auftakt für eine ernsthafte Ethikdebatte in der Wirtschaft, deren vorläufiges Ergebnis heißt: Nachhaltiger Profit und Verantwortungsbewusstsein schließen sich nicht aus, in Deutschland bedingen sie einander. Das könnte, das sollte den neuen Prozess prägen. Und wenn Ackermann am Ende nicht mehr Chef der Deutschen Bank wäre: Mit einem Urteil, das die Entwicklung dieser Debatte reflektiert, könnte er vermutlich besser leben als mit dem Freispruch zweiter Klasse aus dem ersten Prozess.

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