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Politik: Vor ihr die Sintflut

Von Dagmar Dehmer

Angela Merkel soll das Klima retten. Was 6000 Delegierte in zwei Wochen beim Weltklimagipfel in Nairobi nicht geschafft haben, erhoffen sich Klimaaktivisten, Politiker, Wissenschaftler und Unternehmer nun von der Bundeskanzlerin: einen neuen Schub für ein Kyoto-Folgeabkommen. Denn 2012 läuft das Klimaschutzabkommen aus. Wenn die Weltgemeinschaft verhindern will, dass die globale Erwärmung jene kritische Zwei-Grad-Grenze überschreitet, die Klimaforscher für gerade noch beherrschbar halten, muss sie mutige Entscheidungen treffen. Nötig sind Minderungen beim weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen von rund 50 Prozent bis 2050, davon 60 bis 80 Prozent in den Industriestaaten, die den Klimawandel schließlich verursacht haben. Wenn die Verhandlungen so zäh bleiben und ein Großteil der 189 beteiligten Staaten nur die eigenen Interessen vertritt, ist dieses Ziel nicht erreichbar – mit unabsehbaren Folgen für die Menschheit.

Dass die Ergebnisse des Klimagipfels in Nairobi der Größe des Problems so wenig gerecht werden, hat viele Gründe. Einer davon ist das eingeschränkte Verhandlungsmandat, mit dem die meisten Umweltminister angereist sind. Der Klimawandel ist nicht nur ein Umweltproblem, er gefährdet auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung überall auf der Welt. Die Erderwärmung ist unter anderem die Folge der Verbrennung endlicher Energien wie Kohle, Öl und Gas. Den daraus folgenden Ausstoß von Kohlendioxid zu senken, stellt das westliche Entwicklungsmodell in Frage. Um den Klimawandel aufzuhalten, muss sich auch der westliche Lebensstil ändern – obwohl sich gigantische Mengen an Energie mit Effizienztechnologien einsparen lassen und sich der größte Teil der Energieversorgung mit erneuerbaren Energien decken lässt. Doch das ist kein populäres Thema, schon gar nicht in der Politik, die in Legislaturperioden und nicht in halben Jahrhunderten oder mehr denkt.

Um die notwendigen drastischen Emissonsreduktionen zu erreichen, muss das Klimaproblem Chefsache werden. Das Thema gehört in den UN-Sicherheitsrat. Der Klimawandel ist längst ein Sicherheitsproblem geworden. Und nur, weil es gegen die Erderwärmung keine UN-Friedenstruppe gibt und die Lösung des Problems schwieriger ist als die Befriedung selbst hartleibiger Krisenherde, kann das kein Grund sein, dass sich das höchste UN-Gremium nicht mit dem Thema auseinandersetzt.

Angela Merkel hat angekündigt, den Klimawandel zu einem Schwerpunkt ihrer Doppelpräsidentschaft in der Europäischen Union und der G 8, den sieben wichtigsten Industrienationen und Russland, zu machen. Der Zeitpunkt ist günstig. Denn nach der Niederlage bei den Zwischenwahlen in den USA könnte Präsident George W. Bush sich zumindest zurückhalten. Die Demokraten haben ihm jedenfalls bei diesem Thema den Kampf angesagt. In einem Brief haben drei einflussreiche Senatoren, die im kommenden Jahr wichtige Ausschüsse übernehmen, angekündigt, Klimaschutzgesetze durchs Parlament zu bringen, die zumindest den Vorgaben des Kyoto-Protokolls entsprechen. Merkel hat Erfahrung mit Klimaverhandlungen. Nicht zuletzt ihrem Verhandlungsgeschick ist es zu verdanken, dass beim Klimagipfel 1995 das Berliner Mandat erteilt wurde, das zwei Jahre später zum Kyoto-Protokoll führte. Sie hat es in der Hand.

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