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Vorfreude: Irak vor dem Abzug der amerikanischen Truppen

Am 30. Juni werden alle amerikanischen Truppen aus dem Stadtbild der irakischen Städte verschwunden sein. Am Abend zuvor wird in Bagdad eine Unabhängigkeits-Party steigen. Nuri al-Maliki, der schiitische Regierungschef, hat zwei Jahre auf diesen Zeitpunkt hingearbeitet.

Es ist sein großer Moment. Für Dienstag ließ Nuri al Maliki im ganzen Irak einen Festtag ausrufen und spricht von einem „historischen Sieg“. Am Abend zuvor steigt im Zawra Park von Bagdad die große „Unabhängigkeits-Party“, die bis in den frühen Morgen dauern soll. Zwei Jahre hat der schiitische Regierungschef auf dieses Datum hingearbeitet, monatelange Spannungen mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush in Kauf genommen und daheim seine politische Karriere riskiert. Und nun ist er endlich am Ziel angelangt – am 30. Juni werden alle amerikanischen Truppen aus dem Stadtbild der irakischen Städte verschwunden sein. Bis August 2010 verlässt ein Großteil der GIs ganz das Zweistromland, die letzten Einheiten rücken bis Ende 2011 ab.

Im Gegenzug ließ Maliki einheimisches Militär und Polizei auf 750 000 Mann ausbauen und ging mit harter Hand gegen Milizen und bewaffnete Banden vor. Diese Strategie hat ihm bei seinen Landsleuten hohes politisches Ansehen verschafft. Seit dem Höhepunkt des Bürgerkrieges 2006 ist die Zahl der Attentate und Todesopfer spürbar gesunken. Zum ersten Mal erlebten die meisten Iraker wieder eine gewisse Normalität im Alltag – auch wenn in den letzten beiden Wochen eine Serie schwerster Attentate mit über 200 Toten das Land erschütterte „Wir stehen am Beginn einer neuen Phase irakischer Souveränität“, verkündete der Premier am Wochenende. „Und das ist unsere Botschaft an die Welt: Wir sind jetzt selbst in der Lage, unsere internen Angelegenheiten zu regeln und für unsere Sicherheit zu sorgen.“

Das allerdings sehen so manche schiitischen Bürger anders, gegen die sich praktisch alle Bomben der letzten Zeit richteten. Zwar sind die Leute froh, dass sie die Amerikaner endlich los sind. Letzte Woche jedoch demonstrierten hunderte von ihnen auf einem Gemüsemarkt im Stadtteil Sadr-City, wo kurz zuvor mehr als 70 Passanten umgekommen waren. Sie verlangten einen besseren Schutz gegen Al-Qaida-Attentäter. Und sie warfen der Polizei vor, ineffizient, korrupt und von Spitzeln durchsetzt zu sein. Der Protest zeigte erste Wirkung: Inzwischen sind die Patrouillen verstärkt worden, alle Zufahrtsstraßen zu den Märkten für Fahrzeuge gesperrt.

In den sunnitischen Vierteln der irakischen Hauptstadt wäre man sogar froh, wenn die Amerikaner noch blieben. „Iraks Sicherheitskräfte sind noch nicht fähig, Verantwortung zu übernehmen“, sagte ein pensionierter Polizist einem Reporter vor Ort. Die irakische Armee sei schlecht organisiert und undiszipliniert. Und die überwiegend schiitische Polizei habe eine Menge unfairer Verhaftungen vorgenommen, „weil sie Vorurteile gegen die Bewohner hier hat“, behauptete er und deutete in Richtung seiner sunnitischen Nachbarn.

Solche Bedenken versuchte Regierungschef Maliki in den letzten Tagen zu zerstreuen. „Wir versichern ihnen, dass die irakischen Einheiten vorbereitet sind für ihre Aufgabe – auch wenn hier und dort Sicherheitsrichtlinien verletzt wurden“, sagte er. Die Bevölkerung forderte er auf, der Armee und der Polizei mehr Hinweise zu geben auf mögliche Täter, die nach seinen Worten nur ein Ziel haben: „Chaos stiften, den politischen Prozess zerstören und das irakische Volk daran hindern, wieder auf eigenen Füßen zu stehen“.

Diese Ansicht allerdings teilt Barack Obama nur bedingt. Ihm bereitet der Mangel an politischen Fortschritten unter Malikis Führung inzwischen mehr Kopfzerbrechen als die immer noch fragile Sicherheitslage. „Die größte Herausforderung sind nicht so sehr die Angriffe von Resten der Al Qaida oder anderer Aufständischer“, sagte der US-Präsident. „Die größte Herausforderung ist, ob die Schiiten, Sunniten und Kurden ihre wichtigsten politischen Differenzen werden beilegen können.“

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