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Politik: Wachsende Kinderarmut in reichen Ländern

Jedes zehnte Kind in Deutschland lebt in armen Verhältnissen. Das geht aus einer Studie hervor, die das UN-Kinderhilfswerk Unicef in Berlin vorstellte. Besonders häufig sind demnach die Kinder von allein Erziehenden betroffen.

Berlin (01.03.2005, 13:45 Uhr) - Der Unicef-Studie zufolge wachsen in der Bundesrepublik 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Familien auf, die weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben. Damit verzeichnete Deutschland im Verlauf der 90er Jahre einen deutlich stärkeren Anstieg als die meisten anderen Industriestaaten.

Besonders betroffen seien die Kinder von allein Erziehenden und der Nachwuchs von Einwanderern, die erst nach 1990 - meist aus Osteuropa - nach Deutschland gezogen sind, sagte der Vorsitzende von Unicef Deutschland, Reinhard Schlagintweit, und forderte Gegenmaßnahmen der Politik. So könnten Sozialausgaben gegen Kinderarmut helfen.

Michael Fertig vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) betonte allerdings, eine bloße Erhöhung der Transferleistungen sei «keine Erfolg versprechende Strategie». Entscheidend sei, dass die staatlichen Zuwendungen zielgerichteter an bedürftige Familien gehen. So mache es «keinen großen Sinn», wenn sich die Zahlung von Kindergeld - wie derzeit - nur nach der Anzahl der Kinder richtet statt nach dem Einkommen der Eltern.

Mit einem solchen Umsteuern bei den Transferleistungen ist es in Großbritannien gelungen, den Anteil armer Kinder zwischen 1989 und 2001 von 18,5 auf 15,4 Prozent zu senken. In drei Vierteln der Industriestaaten stieg die Kinderarmut im gleichen Zeitraum allerdings an: In Deutschland um 2,7 Prozentpunkte, in Polen sogar um 4,3. Mit einem Armuts-Anteil von 10,2 Prozent belegt Deutschland im Vergleich der OECD-Staaten einen Mittelfeldplatz. Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden schneiden mit Werten von unter fünf Prozent am besten ab. Am Ende des Ranking liegen die USA und Mexiko, wo mehr als 20 Prozent der Kinder in Armut leben.

Peter Adamson, Autor der internationalen Vergleichsstudie, betonte, Kinder, die in Armut aufwachsen, hätten erhebliche Nachteile im späteren Leben. Die Studie zeige, das die Betroffenen häufiger die Schule abbrechen und dadurch auch schlechte Berufschancen haben. Zudem seien sie überdurchschnittlich häufig von Gesundheitsproblemen, Drogenkonsum und Kriminalität betroffen.

Trotz der Probleme allein erziehender Mütter warnte Unicef jedoch vor der Einschätzung, dass Kinder per se ein Armutsrisiko darstellen. Paare mit mehreren Kindern seien nicht stärker bedroht als kinderlose Paare. (tso) ()

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