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Waffenrecht: „Schäuble im Tollhaus“

Innenminister Wolfgang Schäuble zieht seinen Vorschlag zum Waffenrecht zurück – und bekommt heftige Kritik an seiner Amtsführung.

Berlin - Der Rückzieher kam schnell und war knapp formuliert: „Sicherheit geht vor. Auch bei der Entwicklung und Umsetzung kommenden EU-Rechts haben die Sicherheitsbelange der Bevölkerung absoluten Vorrang. Daher bleibt es bei der bestehenden Altersgrenze von 21 Jahren.“ Mit diesen Worten nahm Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montag die von seinem Ressort vorbereitete Änderung beim Waffenrecht zurück. Damit bleibt es bei dem, was nach dem Massaker durch einen jugendlichen Amokschützen an einem Erfurter Gymnasium beschlossen worden war: In Deutschland darf man erst ab 21 Jahren großkalibrige Sportwaffen erwerben, wenn man Mitglied in einem Schützenverein ist.

Schäuble hatte sich, nachdem die geplante Gesetzesänderung am Wochenende publik geworden war, am Montagmorgen von seinen Beamten nochmals informieren lassen und beschloss dann, dass diese Änderung nicht kommen werde. „Der Bundesinnenminister hat langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Gesetzentwürfen“, versicherte Schäubles Sprecher. „Das ist eine Entscheidung, die der Innenminister zu Recht so getroffen hat“, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Es habe in der Frage keine Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegeben. Schäuble habe seine Entscheidung getroffen und die habe die Zustimmung der Bundesregierung.

Die grüne EU-Abgeordnete Gisela Kallenbach wies darauf hin, dass die EU- Richtlinie zwar eine Mindestalter von 18 Jahren vorsieht, aber kein Mitgliedstaat gehindert sei, diese Altersgrenze zu erhöhen. Daher sei die ursprüngliche Argumentation aus Schäubles Haus „an den Haaren herbeigezogen“.

Aus dem mit Sport- und Traditionsschützenvereinen reich gesegneten Bayern bekam Schäuble Zustimmung. Landesjustizministerin Beate Merk (CSU) begrüßte in München den Rückzieher. Eine Lockerung wie ursprünglich vorgesehen wäre aus Sicht der Justiz ein falsches Signal gewesen, sagte Merk. Abgabe und Erwerb großkalibriger Waffen an und durch unter 21-Jährige müsse verboten und strafbar sein. Nur so sei die „abschreckende Wirkung“ zu erzielen, die nach dem Amoklauf in Erfurt erreicht werden sollte.

Die SPD begrüßte Schäubles Schritt, Generalsekretär Hubertus Heil sprach von einer „wirren Debatte“. Noch vor der Entscheidung Schäubles hatte SPD-Chef Kurt Beck die geplante Senkung der Altersgrenze kritisiert: „Da fällt mir anderes ein, was harmonisiert werden müsste als die Tatsache, dass man leichter an Waffen kommt“, sagte er mit Blick auf das Argument, das deutsche müsse dem EU-Recht angepasst werden.

Kritik musste sich Schäuble auch von der FDP anhören. Parteichef Guido Westerwelle warf Schäuble „Chaos in der Innenpolitik“ vor. FDP-Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger betonte, es sei wieder einmal deutlich geworden, „wie wenig fundiert Wolfgang Schäuble Verantwortung für die deutsche Innenpolitik übernimmt“. Der FDP- Innenexperte Hartfrid Wolff sagte, die Waffenrechtsdiskussion „gleicht einem Stück aus dem Tollhaus“. Offenbar habe Schäuble sein Haus nicht im Griff. Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete es als „völlig hirnrissig, auf der einen Seite Videospiele zu verbieten und auf der anderen Seite den Zugang zu Waffen erleichtern zu wollen“. Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagte, Schäuble mache immer wieder kritikwürdige Vorstöße. Merkel „muss ihm sagen, was geht und was nicht geht“.

Wenig erfreut über die Entscheidung des Ministers zeigte sich der Bund Deutscher Sportschützen. Die Kritik an der Senkung der Altersgrenze sei „populistisch“, sagte der Verbandsvorsitzende Friedrich Gepperth. Tsp

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