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Feuerpause in Donezk und Luhansk: Waffenruhe in der Ukraine wird zum Problem für Poroschenko

Die Details der Waffenruhe für den Osten der Ukraine bleiben unter Verschluss. Regierung und Präsident Poroschenko geraten deshalb aneinander - und die Anführer der Freiwilligenbataillone fühlen sich verraten.

Die vereinbarte Waffenruhe für den Osten der Ukraine hält. Doch die Debatte über die Vereinbarung gewinnt an Fahrt – vor allem, weil die Öffentlichkeit nicht erfährt, was genau von der Kontaktgruppe in Minsk ausgehandelt wurde. Unbehagen löst vor allem die Frage nach dem politischen Status des Donbass aus. Hat sich Präsident Petro Poroschenko mit seiner Idee einer Dezentralisierung durchsetzen können oder haben die Separatisten die von Russlands Präsident Wladimir Putin geforderte Föderalisierung erreicht, die eine deutlich weiter reichende Autonomie für die Region bedeuten würde?

Während für Präsident Poroschenko die Ergebnisse von Minsk der Beginn eines Verhandlungsprozesses darstellen und er noch auf dem Nato-Gipfel in Wales via BBC-Interview wissen ließ: „Ich bin bereit, für die Ukraine zu sterben“, ist im Land eine neue Kontroverse ausgebrochen.

Die liberale Zeitung „Ukrainska Prawda“ versuchte bereits am Freitagabend die Frage zu beantworten, was in Minsk im Einzelnen unterschrieben worden ist. Der Kolumnist Sergej Leschenko schrieb: „Bevor das Protokoll nicht vollständig veröffentlicht ist, werden wird keine Klarheit haben.“ Quellen der Zeitung bestätigten zwar, die Vertreter Russlands, der OSZE und der Ukraine hätten sich auf eine Waffenruhe, den Austausch von Gefangenen sowie die Versorgung der Kampfgebiete mit humanitärer Hilfe geeinigt – ob der Donbass aber weiter zur Ukraine gehören wird, sagte der Informant nicht.

Wladimir Olejnik, der die Abgeordneten-Gruppe „Für Frieden und Stabilität“ im ukrainischen Parlament anführt und wie fast alle Mitglieder bis zum Frühjahr der früheren Regierungspartei „Partei der Regionen“ angehörte, fordert ebenfalls eine Offenlegung des Minsker Protokolls. „Wir haben das Recht zu erfahren, auf was sich die Kontaktgruppe geeinigt hat“, heißt es in einer Presseerklärung der Parlamentsgruppe.

Auch innerhalb der Regierung in Kiew ist ein tiefer Graben zwischen dem Präsidenten und der Regierung entstanden. Premierminister Arsenij Jazenjuk und einige Minister machten keinen Hehl aus ihrer Abneigung des, wie sie sagen, „Putin-Plans“. In der größten Talkshow des Landes hatte Moderator Savik Schuster Mühe, die Diskussionsteilnehmer von Handgreiflichkeiten abzuhalten – vor allem die anwesenden Vertreter von Freiwilligen-Bataillonen, Wolodimir Parasijuk, Kommandant des Bataillons Dnipro 4, und Igor Lapin, der die Gruppe „West“ im Bataillon Aydar anführt, waren aufgebracht. Beide Männer sind bis vor wenigen Tagen in Donezk und Lugansk im Einsatz gewesen und machten aus ihrer Verachtung gegenüber der Führung in Kiew keinen Hehl. Präsident Poroschenko habe „die Söhne der Ukraine verheizt und benutzt“. Schlecht ausgebildet und einer korrupten Militärführung ausgeliefert, seien die Soldaten „ins Stahlgewitter gejagt worden“. Für die Anmerkung, „die Politik hat wochenlang auf ein militärisches Wunder gewartet, wie Kindergartenkinder auf den Weihnachtsmann“, erhielt Parasijuk fast stehende Ovationen.

Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk fand am Samstag ähnlich harte Worte. „Wladimir Putin hat in der Ukraine ein blutiges Bankett veranstaltet“, sagte Jazenjuk vor Bildungsexperten in Kiew. Die kommenden Tage werden zeigen, ob die schwere Lage im Osten überwunden werden kann oder ob die Ukraine vor neue Herausforderungen steht.

Auch von Seiten der Kirchen kommt Kritik. Filaret, Vorsteher der Ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats, ließ über die Website seiner Kirche mitteilen: „Präsident Wladimir Putin ist vom Teufel besessen. Er hat sich des Brudermords schuldig gemacht und darf deshalb kein Verhandlungspartner mehr für uns sein.“

Kritik am Verteidigungsministerium kommt von der Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“. In ihrer heutigen Ausgabe berichtet sie über Waffenverkäufe des Ministeriums durch Mittelsmänner und Waffenhändler. Anstatt die Ausrüstung direkt von den staatlichen ukrainischen Rüstungsfirmen zu beziehen, seien unnötigerweise einheimische und ausländische Mittelsmänner eingeschaltet worden. Dadurch sei ein Schaden von umgerechnet fast sechs Millionen Euro entstanden. Die Ankäufe wurden der Zeitung zufolge aus Mitteln des Verteidigungsetats und aus Spendengeldern von Bürgern finanziert. Ob es weitere Vorfälle dieser Art gibt, soll herausgefunden werden.

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