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Der amtierende Präsident Evo Morales hat nach ersten Schätzungen 60 Prozent der Stimmen bekommen

© AFP

Wahlen in Bolivien: Evo Morales erklärt sich zum Sieger

Vom Schreckgespenst zum Staatsmann: Der amtierende Präsident Evo Morales hat bei den Wahlen in Bolivien deutlich gewonnen. Er hat erstaunlich viel geschafft in dem einst bitterarmen Land. Der Kampf gegen die Korruption hat er sich für die nächste Amtszeit auf die Fahnen geschrieben.

Viele haben Evo Morales belächelt, seine kokablätterkauenden Auftritte vor der UNO oder seine Sprüche über hormongepäppelte Hähnchen, die schuld seien an der Verweiblichung der Männer. Viele von ihnen dürften den
bolivianischen Staatspräsident nun beneiden, der Nachwahlbefragungen zufolge am Sonntag mit 60 Prozent wiedergewählt wurde, seine Amtszeit auf 14 Jahre ausdehnt und ein durchschnittliches Wirtschaftwachstum von 4,8 Prozent jährlich vorweisen kann. Die neun Jahre seiner Regierung haben das Land verändert - politische Stabilität, wirtschaftlichen Aufschwung und mehr Gleichberechtigung für die indigene Bevölkerung gebracht – und sind auch an dem 54jährigen nicht spurlos vorüber gegangen. Klopfte er 2005 noch klassenkämpferische Sprüche im Strickpulli, gibt er nun Interviews als Staatsmann im edlen Ethno-Sakko.

Die USA sind sein Lieblingsfeind

Das Geheimnis seines Erfolgs?„Er verkörpert wie kein anderer die Mischlings-Kultur Boliviens“, sagt Expräsident und Universitätsprofessor Carlos Mesa. Kritiker wie der Journalist Fernando Molina sehen in ihm eher
einen Caudillo, der zwar am Puls der Bevölkerung sei, aber auch seine Launen zur Politik erhebe. Molina zitiert als Beispiele für die „bonapartistische Tendenz“ die miserablen Beziehungen zu Morales Lieblingsfeind, den USA,
Morales gescheiterte Kandidatur für den Friedensnobelpreis, das in seinem Heimatort geplante, Millionen teure Indigena-Museum oder seine jüngste Verpflichtung als Profifußballer in einem lokalen Club.

Einen Film über seine Lebensgeschichte gibt es schon, er heißt „Cocalero“ und schlachtet die Klischees gebührend aus: Geboren am 26. Oktober 1959 in einem bitterarmen Dorf der südlichen Provinz Oruro in einer Aymara-Bauernfamilie musste Morales die weiterführende Schule abbrechen und stattdessen Lamas hüten. Manchmal aß die Familie nur eine Suppe aus den ausgelutschten Orangenschalen, die Reisende aus den vorbeifahrenden Überlandbussen warfen, und die der kleine Evo eifrig aufsammelte. 1982 kostete ihm eine Hungersnot im Hochland fast das Leben. Von seinen sechs Geschwistern überlebten nur zwei.

Unter Kokabauern

Er floh in den Chapare, wo er auf die Kokabauern traf und Bekanntschaft mit den kämpferischen Gewerkschaften machte. Rund 40.000 Familien leben im subtropischen Tiefland des Chapare vom illegalen Verkauf der Kokablätter, die den Grundstoff für die Herstellung von Kokain liefern. Morales war bei Streiks und Demonstrationen dabei. Die Elite des Landes fürchtet ihn seither als Straßenblockierer, Nutznießer des Drogenhandels und marxistischen Aufrührer. Unzählige Male saß er im Gefängnis. Gefoltert habe man ihn, sagt Morales, der in seiner Freizeit gerne Fußball spielt.

Doch das hat dem Bewunderer des kubanisch-argentinischen Revolutionshelden Ernesto "Che" Guevara seine sozialistischen Ideen nicht ausgetrieben und seine Popularität nur erhöht. Vor allem bei den Ureinwohnern. Aber auch Venezuelas verstorbener linkspopulistischer Präsident Hugo Chavez sah in dem Indigena schon früh einen Verbündeten gegen den US-Imperialismus. 1992 wurde er Vorsitzender der Kokabauern-Gewerkschaft, 1997 mit 70 Prozent der Stimmen seines Wahlbezirkes zum Kongressabgeordneten gewählt. Seine linke Partei, Bewegung zum Sozialismus (MAS), hatte zuvor schon lokale Erfolge eingefahren.

Er hat die Armut erfolgreich bekämpft

2005 schaffte der zweifache, ledige Vater den Coup: er siegte bereits in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, obwohl sein rechter Gegner Jorge Quiroga ihn als Schreckgespenst für Investoren und Gefahr für Marktwirtschaft und Demokratie abstempelte. Bei der aktuellen Wahl erhielt Quiroga gerade einmal neun Prozent. Von da an setzte Morales seine Ideen in die Tat um. Er verstaatlichte die Grundstoffindustrien, womit er dank der Rohstoffhausse auf den Weltmärkten die Staatskassen füllen konnte. Das Geld investierte er vor allem in populäre Sozialprogramme für Kinder, Schwangere und Alte. Die Armut sank von 63 auf 36 Prozent. Er trat dem von Venezuela angeführten linken Staatenbündnis Alba bei und setzte eine neue Verfassung durch, obwohl er das Land damit an den Rand der Spaltung brachte. Er baute mit venezolanischer und kubanischer Hilfe ein umfassendes Mediennetz und Gesundheits- und Alphabetisierungsprogramme auf.

In den vergangenen Jahren gelang es ihm sogar, die Opposition im aufstrebenden Tiefland, zu brechen. Anders als sein Vorbild Chávez schloss er Frieden mit den Unternehmern in der Provinz Santa Cruz, dem Sitz der Sojabarone und Lagerstätte der Rohstoffe. Morales Gegner sind heute eher in der intellektuellen Mittelschicht zu finden – und in der Korruption, die sich in Justiz, Polizei und Bürokratie eingenistet hat. Dass er es nicht geschafft habe, dort auszumisten, wurme ihn am meisten, erklärte er neulich in einem Interview. Nun hat ihm die Bevölkerung dafür weitere fünf Jahre Zeit gegeben.

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