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Großer Bahnhof: Das Medieninteresse war enorm, als der streitbare Journalist, Verleger und Ex-Chefredakteur Roger Köppel seine Kandidatur für das Schweizer Parlament verkündete. Foto: Reuters/Arnd Wiegmann

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Rechtsruck in der Schweiz: SVP gewinnt mit Propaganda gegen Flüchtlinge

Die rechte SVP hat bei den Parlamentswahlen in der Schweiz hinzugewonnen. Wird "Weltwoche"-Chef Roger Köppel die neue Nummer 1 der Partei?

Von Andreas Oswald

Es ist kein Erdrutsch, aber dennoch ein Zeichen: Bei den Parlamentswahlen in der Schweiz konnten die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) und die rechtsliberale FDP laut ersten kantonalen Hochrechnungen zusätzliche Stimmen und Mandate gewinnen. Die Anti-EU- und Anti-Zuwanderer-Partei SVP hatte im Wahlkampf betont, sie wolle den Zuzug von Ausländern in die Schweiz begrenzen, Missbräuche im Asylwesen beseitigen und einen Anschluss des Alpenlandes an die EU verhindern.

Laut Hochrechnungen wird die SVP erneut stärkste politische Kraft im Nationalrat. Demnach kann sie 64 von 200 Sitzen im Parlament gewinnen, so viel wie nie zuvor. Gegenüber der vergangenen Wahl gewann sie elf Sitze hinzu. Damals hatte sie gegenüber ihrem vorherigen Rekordergebnis mit 62 Sitzen verloren.

Ohnehin schien der Zenit dieser Partei überschritten zu sein, aber jetzt hat sie sich wieder aufgerafft, die Flüchtlingskrise in Europa hat ihr dabei geholfen.

Mit einem Plus kann demnach auch die FDP rechnen. In Schweizer Medien war zuvor wegen der absehbaren Zuwächse dieser Parteien zwar von einem politischen „Rechtsrutsch“ die Rede gewesen.

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) wird erneut zweitstärkste politische Kraft. Sie tritt für eine engere Kooperation mit der EU und eine gemäßigte Reform der Asylpolitik ein. Die rund fünf Millionen stimmberechtigten Eidgenossen waren aufgerufen, 200 Abgeordnete des Nationalrats – der großen Kammer des Parlaments – sowie 45 der 46 Vertreter der Kantone im Ständerat zu wählen.

Die SVP hatte im Wahlkampf vor allem Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht: „Die SVP ist die einzige Partei, die garantiert, dass die Zuwanderung begrenzt wird, die Missbräuche im Asylwesen beseitigt werden, kriminelle Ausländer ausgeschafft werden, ein Anschluss an die EU verhindert wird“, stand in großformatigen Zeitungsanzeigen.

Die Rechte siegt. Die Demoskopen hatten es vorhergesagt. Die Schweizer reagieren auf die Flüchtlingskrise, obwohl das Land gar nicht betroffen ist.
Die Rechte siegt. Die Demoskopen hatten es vorhergesagt. Die Schweizer reagieren auf die Flüchtlingskrise, obwohl das Land gar nicht betroffen ist.

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Dabei ist es eine Ironie, dass in der Schweiz nur ganz wenige Flüchtlinge ankommen. Das Land hat sich auf einen großen Ansturm vorbereitet aber die Flüchtlinge wollen nicht in die Schweiz. Wahrscheinlich hat sich bei ihnen herumgesprochen, welche Atmosphäre dort herrscht. Ausdruck davon ist, dass immer mehr Gemeinden sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen und lieber 3000 Franken Strafe im Monat pro nicht aufgenommenem Flüchtling zahlen. Die Gemeinde Oberwil hat sogar extra ein leer stehendes Gebäude außerhalb des Ortes abreißen lassen, damit dort keine Asylsuchenden untergebracht werden können.

Auch die FDP gewinnt hinzu

Dass die Schweiz kaum von der derzeitigen Flüchtlingskrise betroffen ist, hat die Wähler aber nicht davon abgehalten, die SVP mit ihren Anti-Flüchtlings-Parolen zu wählen. Dabei spielt wahrscheinlich generell eine große Rolle, dass der Ausländeranteil in der Schweiz bei 25 Prozent liegt. Das ist einer der höchsten in Europa. Wobei ein großer Teil davon Deutsche sind, auf die viele Schweizer nicht gut zu sprechen sind.

Die Frage ist, ob der SVP ihr Sieg nützt. In der Schweiz herrscht das Konkordanzprinzip, die großen Parteien sind alle in der Regierung vertreten. Wenn sich wie in der Vergangenheit alle anderen Parteien darauf verständigen, der SVP einen ihr eigentlich zustehenden zusätzlichen Ministersitz vorzuenthalten, dann helfen ihr die Stimmenzuwächse nicht.

Ein wichtiges Ergebnis der Wahl sind die Gewinne der liberal-konservativen FDP, die politisch mit der deutschen CDU vergleichbar ist: Die alte staatstragende große freisinnige Partei war in den vergangenen Jahren immer stärker von der SVP einerseits und Mitte-Parteien andererseits bedrängt worden.

Eine Personalie sticht heraus: Auf der Liste der SVP bekam offenbar Roger Köppel, Chef der stramm rechten „Weltwoche“, die meisten Stimmen und verdrängte bisherige Heroen der Partei. Er könnte damit die politische Nachfolge von Christoph Blocher antreten, dem alten Patriarchen der Partei, der immer mehr in den Hintergrund tritt. Köppel gilt als sein Ziehsohn. (mit dpa)

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