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Der Islamist Mohammed Mursi soll die Präsidententwahl in Ägypten knapp gewonnen haben. Doch die Gegner der Muslimbrüder und die Anhänger des alten Regimes wollen das Ergebnis nicht so ohne weiteres hinnehmen. Jetzt prüft die Wahlkommission Beschwerden wegen Wahlbetrugs.

© dapd

Update

Wahlen ohne Ergebnis: Human Rights Watch wirft Ägyptens Militär Machtmissbrauch vor

Ein Schritt nach vorne, zwei zurück: Der Demokratisierungsprozess in Ägypten gerät erneut ins Stocken. Beobachter im Ausland verlieren die Geduld mit dem herrschenden Militärrat. Und auch im Inland braut sich erneut etwas zusammen.

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat dem in Ägypten herrschenden Militär zunehmende Selbstermächtigung und Machtmissbrauch vorgeworfen. „Die unermüdliche Ausweitung der Vollmachten, um Zivilisten festzunehmen und abzuurteilen, geht derzeit weit über die Vollmachten unter (dem gestürzten Präsidenten) Husni Mubarak hinaus“, erklärte Joe Stork, der Nahost-Direktor der Organisation, am Donnerstag in New York.

Die verfassungsrechtlichen Erlässe des Obersten Militärrates, der seit dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 das Land regiert, seien „das jüngste Anzeichen dafür, dass es am 30. Juni keine substanzielle Machtübergabe an eine zivile Regierung geben wird“, führte Stork aus. Ende des Vormonats hatte der Militärrat den seit mehr als 30 Jahren geltenden Notstand auslaufen lassen. Wenige Tage später hatte das Gremium aber eine Verfügung erlassen, wonach die Militärpolizei jederzeit Zivilisten festnehmen und verhaften kann.

Auch ins politische Geschehen griffen die Generäle zuletzt massiv ein: Sie lösten das zur Jahreswende gewählte Parlament auf, beschnitten die Macht des künftigen Präsidenten drastisch und schanzten sich die Vollmacht zu, eine neue Verfassung zu schreiben.

Mubarak herrschte wie ein Pharao. Jetzt ringt er mit dem Tod:

Indes hat die Wahlkommission die am Donnerstag geplante Bekanntgabe der Ergebnisse der Stichwahl um die Präsidentschaft am 16. und 17. Juni auf unbestimmte Zeit verschoben. “Wir können nicht genau sagen, wann die Zahlen (zum Wahlergebnis) veröffentlicht werden, weil wir immer noch in der Anhörungsphase sind“, erklärte der Generalsekretär der Kommission, Hatem Bagato. Die Kommission benötige mehr Zeit, um eine Entscheidung zu fällen. Um die Nachfolge Mubaraks hatten der Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, und Mubaraks letzter Ministerpräsident, Ahmed Schafik, gekämpft. Beide Kandidaten sehen sich selbst als Sieger.

Nach Angaben der Wahlkommission liegen nach der Stichwahl insgesamt 400 Einsprüche wegen mutmaßlicher Wahlfälschung vor. Das Team von Mursi sagte nach Angaben des Nachrichtenportals „Al-Shorouk“, man habe bereits über 134 Fälle mit der Kommission diskutiert. In mehreren Wahllokalen soll die Zahl der Stimmzettel in den Urnen höher gewesen sein als die Zahl der Wähler, deren Anwesenheit vom jeweiligen Wahlleiter festgestellt wurde.

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Ursprünglich hätte das Ergebnis an diesem Donnerstag vorliegen sollen. Die Mursi-Kampagne behauptet, ihr Kandidat habe rund 52 Prozent der Stimmen erhalten. Die Unterstützer von Schafik sehen ihren Mann mit 51,5 Prozent vorne.

Nach Angaben örtlicher und internationaler Wahlbeobachter waren die Mängel bei der Wahl nicht so gravierend, dass ihre Gültigkeit in Zweifel gezogen werden könnte. Demnach wäre der Islamist Mursi der Wahlsieger.

Viele Aktivisten und Politiker hatten zuvor ihren Unmut darüber kundgetan, dass die Wahlkommission auch vier Tage nach dem Urnengang noch kein Ergebnis vorlegen will.

Tausende Anhänger der Muslimbrüder campierten Mittwochnacht wieder auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Gemeinsam mit Gruppen der revolutionären Jugend protestierten sie gegen den regierenden Militärrat, dem sie vorwerfen, seine Machtposition festigen zu wollen.

Das Militär hatte angekündigt, die Macht am 30. Juni an den neuen Präsidenten zu übergeben. Nach den jüngsten Verfassungserlässen dürfte diese Macht aber eher nur auf dem Papier stehen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte in diesem Zusammenhang davor, dass Ägypten noch vom Pfad der Demokratisierung abkommen könnte. „Die Situation in Ägypten ist sehr fragil. Es ist noch nicht entschieden, welchen Weg das Land einschlagen wird “, sagte Westerwelle der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstagausgabe).

Zusätzlich zur politischen Unsicherheit sorgten auch Berichte über den schlechten Gesundheitszustand von Ex-Präsident Husni Mubarak für Verwirrung. Nachdem er kurzzeitig mit dem Tod gerungen haben soll, liegt er nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen jetzt im Koma. (dpa/rtr/dapd)

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