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Wahlen: Ukraine: 50 Euro für ein Kreuzchen

Vor der heutigen Präsidentenwahl in der Ukraine boten Bürger ihre Stimme im Internet zum Kauf an.

Warschau - Julia Timoschenko kennt die Schwächen ihrer Gegner. Fälschungen in großem Stile seien bei den Präsidentenwahlen am heutigen Sonntag geplant, warnt deshalb die ukrainische Premierministerin im Endspurt noch einmal lautstark. Den von ihr ausgemachten Bösewicht nennt sie natürlich beim Namen: Viktor Janukowitsch, ihr größter Rivale im Kampf um den Posten des Staatschefs. Mit diesem Vorwurf schürt sie die Erinnerungen an die Abstimmung im Jahr 2004, als Janukowitsch zu Unrecht zum Sieger erklärt worden war und die Orangene Revolution ihren Ausgang nahm.

Aber Timoschenko belässt es nicht beim bloßen Vorwurf, sie liefert „Beweise“. Im Gebiet Donetzk, der Heimat Janukowitschs, hätten bereits weit über zehn Prozent der Wähler einen Antrag gestellt, ihre Stimme zu Hause abgeben zu können. Der Einsatz dieser tragbaren Urnen öffne Manipulationen Tür und Tor. Auch in anderen Regionen würden Wähler auf Veranlassung ihres Widersachers massenhaft Anträge abgeben, die Stimme nicht im Wahllokal abgeben zu müssen. Zudem, kritisiert Timoschenko weiter, werde immer wieder versucht, ortsfremde Personen in die Wahlregister einzutragen und auf diese Weise Doppelstimmen möglich zu machen.

Inzwischen hat sich der Stimmenkauf in der Ukraine zu einem schwungvollen Handel entwickelt. Im Internet bieten Wähler bereits ihre Stimme zum Kauf an. Auf speziellen Seiten kann jedermann seinen Namen, seine Mail-Adresse und den gewünschten Preis angeben, der im Schnitt bei 50 Euro liege. Die ukrainische Zentrale Wahlbehörde zeigt sich machtlos. Zwar sei der Stimmenkauf strafbar, das Verkaufen allerdings nicht, heißt es.

Nach Meinung des Politikwissenschaftlers Wolodimier Fesenko ist dieses Vorgehen „ein Ausdruck der Enttäuschung“ und einer immer zynischer werdenden Haltung der Wähler gegenüber der Politik und den handelnden Personen.

Einen ganz anderen Weg der Wahlhilfe erfährt Amtsinhaber Viktor Juschtschenko. Georgien wollte über 2000 Wahlbeobachter in die Ukraine schicken, was man in Kiew als Versuch des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili wertet, seinem in den Umfragen aussichtslos zurückliegenden Freund Viktor Juschtschenko noch irgendwie unter die Arme zu greifen. Die Zentrale Wahlkommission hat dieses Ansinnen strikt abgelehnt und dies mit der Unzuverlässigkeit zahlreicher angemeldeter Georgier begründet. Der Leiter der georgischen Beobachtermission, Lewan Tarchnischwili, bezeichnete die Absage als politisch motiviert. Diese Vermutung liegt nahe, denn die ukrainische Zentrale Wahlkommission ist mehrheitlich von Anhängern der oppositionellen „Partei der Regionen“ besetzt. Deren Chef heißt Viktor Janukowitsch.

Knut Krohn

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