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Kritik: Linke erwecken den Eindruck einer "Ein-Punkt-Partei"

Die Linkspartei hat sich auf die Kritik an sozialen Ungerechtigkeiten fokussiert – vermutlich zu sehr. Jetzt wird sie selbst abgehängt.

Von Matthias Meisner

Nach den Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz rumort es kräftig bei der Linkspartei. Genossen aus allen Flügeln forderten am Montag im Parteivorstand, der das Debakel auf einer Sitzung in Berlin analysierte, eine strategische Neuausrichtung. Die Vorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch aber mochten eigene Fehler nicht erkennen und führten das Scheitern bei den beiden Landtagswahlen „einzig und allein“ auf die Debatte nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima zurück. Eine Personaldebatte will die Führung verhindern.

„Wir erwecken zu sehr den Eindruck, nur eine Ein-Punkt-Partei zu sein“, sagte die Vizevorsitzende Halina Wawzyniak dem Tagesspiegel. Wenn dann ein anderes Thema wie die Atomfrage die Diskussionen bestimme, sei ein Scheitern fast unausweichlich. Die Linke müsse künftig mehr in gesellschaftliche Debatten eingreifen, „dort hingehen, wo die Leute sind“, sagte Wawzyniak. Steffen Bockhahn, Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern, ergänzte, es gebe auch im Bund eine Wechselstimmung, „nur wird sie nicht mit den Linken in Verbindung gebracht“. Er sagte weiter: „Unsere Angebote müssen nicht so radikal wie möglich, sondern so glaubwürdig wie möglich sein.“ Der hessische Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke vom linken Parteiflügel sagte Teilnehmern zufolge in der Sitzung, die Partei müsse breitere Bevölkerungsschichten so ansprechen, dass sie von diesen dann auch gewählt werde. Parteivize Sahra Wagenknecht warnte dagegen strikt vor einen Kurswechsel.

Die Vorsitzenden selbst betonten, sie würden das Ergebnis für „nicht katastrophal“ halten, intern war von einer „Delle“ die Rede. Bis auf die Grünen seien „alle negativ betroffen“, sagte Ernst. Fraktionschef Gregor Gysi, der an den Beratungen nicht teilnahm, nannte das Abschneiden der Linken „keineswegs berauschend“. Hinter vorgehaltener Hand wurden viele Sitzungsteilnehmer deutlicher. Auch die Aussichten für die weiteren Wahlen in diesem Jahr – zunächst im Mai in Bremen, dann im September in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin – seien „nicht rosig“, warnte ein Spitzengenosse. „Mit Sorge“ werde auch nach Nordrhein-Westfalen geschaut – SPD und Grüne könnten dort schneller als bisher gedacht Neuwahlen anstreben, die Linke aus dem Landtag fliegen. In Bremen, eigentlich eine Hochburg der Linken im Westen, belasten interne Auseinandersetzungen seit einiger Zeit die Arbeit. Dort hatte die Bürgerschaftsabgeordnete Inga Nitz Anfang März ihr Amt als Bundessprecherin des Reformerflügels niedergelegt, offenbar auch aus Frust über die innerparteilichen Konflikte am Ort. In Mecklenburg-Vorpommern wird der Anspruch der Linken auf das Ministerpräsidentenamt praktisch ohne reelle Chance formuliert. In der jüngsten Wahlumfrage kam die Linkspartei auf 17 Prozent, die SPD erreichte den doppelten Wert. Nach der Wahl in Berlin könnte es mit Rot-Rot zu Ende gehen.

Traditionell werden für die Linke die Wahlen auch von Horst Kahrs, Leiter der Strategieabteilung in der Parteizentrale, sowie von Benjamin-Immanuel Hoff, einem der Wortführer der Reformer, analysiert. Sie schrieben: „Der Trend ist derzeit kein Genosse.“ Das Image der Linken im Südwesten sei „eindeutig negativ“, als Außenseiterin aber habe die Partei „keine echte Chance“ gehabt. Das Energiethema habe nicht mit dem Kompetenzkern soziale Gerechtigkeit verknüpft werden können. „Die Partei wurde vor allem als Partei wahrgenommen, die Ungerechtigkeiten benennt, darauf aber mit unrealistischen Forderungen reagiert.“

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