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Er ist Berlins wohl bekanntester Bezirksbürgermeister: Heinz Buschkowsky, SPD, der in Neukölln regiert.

© dapd

Leitfaden zur Wahl: Was auf Bezirksebene entschieden wird

Einst waren es 23 Bezirke, heute sind es nur noch 12: Warum sie größer sind als so manche deutsche Stadt, aber trotzdem weniger zu entscheiden haben.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Einheitsgemeinde Berlin
In das historische Alt-Berlin wurden 1920 sieben Nachbarstädte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke eingemeindet. So wurde Berlin zur einheitlichen Stadtgemeinde mit 20 Verwaltungsbezirken und mit 3,8 Millionen Einwohnern nach London die zweitgrößte Stadt in Europa und eine der größten Städte der Welt. Von 1979 bis 1986 kamen im Ostteil der Stadt auf Beschluss der DDR-Regierung drei weitere Bezirke hinzu. Nach der Vereinigung Berlins 1990 diskutierten Senat und Abgeordnetenhaus über eine Reform: Die Zahl der Verwaltungsbezirke sollte aus verwaltungstechnischen und finanziellen Gründen deutlich verringert werden.

Seit 1. Januar 2001 gibt es nicht mehr 23, sondern nur noch zwölf Bezirke. Jeder Bezirk für sich ist eine Großstadt, aber mit eingeschränkten Rechten. Für die Aufgaben von gesamtstädtischer Bedeutung ist der Senat zuständig. Alle anderen (kommunalen) Aufgaben erledigen die Bezirke in eigener Verantwortung. Diese Form der Selbstverwaltung hat Tradition. Schon im Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin von 1920 wurde festgelegt: „Für jeden Verwaltungsbezirk werden zur Wahrnehmung der örtlichen Interessen, zur Durchführung der Selbstverwaltung und zur Entlastung der städtischen Körperschaften ... eine Bezirksversammlung und ein kollegiales Bezirksamt eingerichtet.“

Mit den Landkreisen, Städten und Gemeinden der deutschen Flächenländer sind die Berliner Bezirke nicht vergleichbar, weil sie keine rechtlich und finanziell eigenständigen Gebietskörperschaften sind. Sie dürfen keine Steuern erheben und keine Ortsgesetze (Satzungen) erlassen. Nach außen vertreten die Bezirksämter nicht sich selbst, sondern das Land Berlin. Die Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung zwischen Haupt- und Bezirksverwaltung hat sich seit Gründung der Einheitsgemeinde Berlin 1920 immer wieder verändert und ist bis heute ein Streitpunkt zwischen beiden Verwaltungsebenen geblieben.

Bezirksverordnetenversammlung (BVV)
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV), der 55 Bezirksverordnete angehören, ist kein Parlament, sondern ein Organ der bezirklichen Selbstverwaltung. Trotzdem orientiert sich die Arbeitsweise der BVV an parlamentarischen Verfahren und Regeln. Die BVV kann aber nicht durch eigenen Beschluss oder Volksentscheid aufgelöst werden. Die Wahlperiode endet mit der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses. Die Bezirksverordneten werden von der Bevölkerung gewählt und erhalten eine Aufwandsentschädigung für ihre ehrenamtliche Arbeit. Seit Januar 2011 sind das monatlich 330 Euro zuzüglich Sitzungsgeld (31 Euro je BVV- und 20 Euro je Ausschusssitzung).

Die BVV-Vorsteher erhalten 1320 Euro, ihre Stellvertreter 577,50 Euro und die Fraktionsvorsitzenden 825 Euro monatlich. Die BVV-Fraktionen bekommen einen Fraktionszuschuss aus dem bezirklichen Haushalt, der sich nach der Einwohnerzahl des jeweiligen Bezirks und der Fraktionsstärke richtet. Beamte und Angestellte der Bezirksverwaltungen dürfen der BVV des Bezirks, in dem sie arbeiten, nicht angehören. Berufsrichter im Landesdienst, der Datenschutzbeauftragte und dessen Mitarbeiter und die Mitglieder und Prüfer des Landesrechnungshofes dürfen ebenfalls nicht Bezirksverordnete sein.

Organe der BVV
Die BVV wählt aus ihrer Mitte einen Vorsteher, dessen Stellvertreter und die übrigen Mitglieder des BVV-Vorstands. Der Bezirksverordnetenvorsteher vertritt die BVV in allen Angelegenheiten und übt das Hausrecht aus. Weitere Organe der BVV sind der Ältestenrat und die Ausschüsse, in denen nicht nur Bezirksverordnete sitzen, sondern auch bis zu vier ehrenamtliche Bürgerdeputierte. In den Ausschüssen sind die Fraktionen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis in der BVV vertreten. Aber jede Fraktion hat mindestens einen Sitz.

Aufgaben der BVV
Die Bezirksverordnetenversammlung
- bestimmt die Grundlinien der bezirklichen Verwaltungspolitik,
- kontrolliert die Geschäftsführung des Bürgermeisters und der Stadträte,
- beschließt den Bezirkshaushalt und entscheidet über die Verwendung von Sondermitteln,
- setzt Bebauungspläne und Landschaftspläne fest,
- entscheidet über die Bereichsentwicklungs- und Investitionsplanung sowie die Gründung, Übernahme oder Auflösung bezirklicher Einrichtungen oder deren Übertragung an private Träger,
- stimmt dem Kauf oder Verkauf von Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen zu,
- richtet Anträge, Empfehlungen und Ersuchen an das Bezirksamt, verlangt Auskünfte und kann Entscheidungen des Bezirksamts aufheben und durch eigene Beschlüsse ersetzen,
- darf Einsicht in alle Akten nehmen, die „in Zusammenhang mit der Vorbereitung oder Kontrolle von Beschlüssen und Aufträgen der BVV oder von Ausschüssen stehen“,
- wählt Bürgerdeputierte, Mitglieder der Sozialkommissionen, Schöffen und ehrenamtliche Richter, Patientenfürsprecher, Schiedsleute und Beiräte für Sozialhilfeangelegenheiten.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Aufgaben die Bezirksämter haben und wie die Bürger auf Ebene der Bezirke selbst entscheiden können.

Bezirksamt
Das Bezirksamt ist die kommunale Verwaltungsbehörde und vertritt das Land Berlin in Angelegenheiten des Bezirks. Die Bezirksamtsmitglieder (Bürgermeister und Stadträte) leiten ihre Geschäftsbereiche in eigener Verantwortung. Beschlüsse des Bezirksamts werden durch Mehrheitsentscheid gefasst. Der Bezirksbürgermeister übt die Dienstaufsicht über die Stadträte aus und untersteht selbst der Dienstaufsicht des Regierenden Bürgermeisters.

Das Bezirksamt kann eigene Vorlagen in die BVV einbringen, BVV-Beschlüsse beanstanden und über bezirkliche Angelegenheiten entscheiden, wenn sie nicht der BVV vorbehalten sind. Mit der neuen (17.) Wahlperiode wird die Zahl der Stadträte auf vier statt bisher fünf verringert. Außerdem werden die Geschäftsbereiche der zwölf Bezirksämter vereinheitlicht, um die Zusammenarbeit zwischen den Bezirken zu vereinfachen.

Der Bürgermeister und die Stadträte werden zu Beginn jeder Wahlperiode von den neu zusammengesetzten BVVen mit einfacher Mehrheit gewählt. Für die Bezirksbürgermeister gilt ein besonderes Verfahren: Sie werden auf Vorschlag einer politischen Mehrheit in der BVV gewählt. Die Fraktionen dürfen zu diesem Zweck so genannte Zählgemeinschaften (Koalitionen für die Bürgermeisterwahl) bilden. Die Stadträte werden nach den Regeln des Parteienproporzes gewählt. Das heißt: Die Fraktionen haben entsprechend ihrer Stärke in der BVV das Vorschlagsrecht für einen oder mehrere Stadträte.

Wenn ein Kandidat nicht die erforderliche einfache Stimmenmehrheit in der BVV erhält, darf seine Fraktion einen neuen Kandidaten präsentieren. So wird erreicht, dass in den Bezirksämtern ein relativ breites Spektrum parteipolitischer Meinungen vertreten ist. Bezirksamtsmitglieder können nur abgewählt werden, wenn sich dafür eine Zweidrittelmehrheit in der BVV findet.

Die Bezirksbürgermeister und Stadträte werden von ihren Parteien nominiert. Die Stellen werden nicht öffentlich ausgeschrieben. Die Kandidaten für das Bezirksamt müssen weder ein abgeschlossenes Hochschulstudium noch eine andere Ausbildung vorweisen, die im höheren Verwaltungsdienst sonst üblich ist. Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Bezirksamtsmitglieder schreibt lediglich „Sachkunde und allgemeine Berufserfahrung“ und ein Alter von mindestens 27 Jahren als Voraussetzung für die Wahl vor.

Aufgaben der Bezirksämter
Die Bezirke nehmen alle örtlichen Verwaltungsaufgaben wahr, die nicht von gesamtstädtischer Bedeutung sind. Dazu gehören:
- die Organisation der Bürger- und Ordnungsämter,
- die Aufstellung des Bezirkshaushalts,
- die Festsetzung von Bebauungs- und Landschaftsplänen,
- die Aufsicht über Kindertagesstätten und Heime,
- die Verwaltung der Friedhöfe,
- der Grün- und Gewässerschutz,
- der Kauf und Verkauf von Grundstücken,
- die bezirkliche Wirtschaftsförderung.

Ehrenamtliche Arbeit
In den Sozialkommissionen der Bezirke können interessierte Bürger ehrenamtlich mitarbeiten. Ihre Aufgabe: persönliche Kontakte in den Wohngebieten herzustellen, persönliche und soziale Hilfestellung zu leisten, über soziale Angebote des Staates zu informieren und die „Teilnahme am öffentlichen Leben“ zu fördern. Die Mitglieder der Sozialkommissionen werden von der BVV für drei Jahre gewählt. Ehrenamtlich tätig sind auch die bezirklichen Patientenfürsprecher, die ebenfalls von der BVV gewählt werden. Sie sollen Anregungen und Beschwerden von Patienten aufnehmen und diese gegenüber dem Krankenhaus vertreten.

Die Seniorenvertretungen in den Bezirken haben die Aufgabe, die Probleme und Interessen älterer Bürger an das Bezirksamt und an die BVV heranzutragen. Die Vorsitzenden der bezirklichen Seniorenvertretung sind auch Mitglied in der Landesseniorenvertretung Berlins. In einigen Bezirken gibt es ein Jugendparlament, das den Stadtrat für Jugend, den bezirklichen Jugendhilfeausschuss und die Bezirksverordneten berät.

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, Einwohneranträge
Für alle Angelegenheiten, in denen die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Beschlüsse fassen kann, können seit 2005 Bürgerbegehren beantragt werden. Ein solches Begehren ist erfolgreich, wenn es innerhalb von sechs Monaten von drei Prozent der im Bezirk zur BVV Wahlberechtigten unterstützt wird, also auch von Unionsbürgern und 16- und 17-jährigen Jugendlichen. Wenn das Bezirksamt das Zustandekommen des Bürgerbegehrens festgestellt hat, findet spätestens vier Monate später ein Bürgerentscheid statt, es sei denn, die BVV übernimmt das Begehren in unveränderter oder in einer von den Vertrauenspersonen der Initiative gebilligten Form.

Eine Mehrheit der Teilnehmer und zugleich mindestens 10 Prozent der bei der letzten Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung Wahlberechtigten müssen zustimmen, damit der Bürgerentscheid als angenommen gilt. Er wirkt dann wie ein BVV-Beschluss. Zusätzlich können alle Einwohner des Bezirks, die mindestens 16 Jahre alt sind, Empfehlungen an die BVV richten. Ein solcher Einwohnerantrag muss von mindestens 1000 Einwohnern des Bezirks unterstützt werden.

Außerdem können das Bezirksamt oder die Bezirksverordnetenversammlung zu wichtigen Bezirksangelegenheiten Einwohnerversammlungen einberufen. Die BVV kann in ihrer Sitzung zudem Einwohnerfragestunden ansetzen.

Für die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin hat Tagesspiegel-Redakteur Ulrich Zawatka-Gerlach einen Leitfaden zur Wahl geschrieben. Hier gibt es die komplette Broschüre zum Herunterladen. Und hier können Sie sich über einzelne Themen informieren.

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