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Schwarz-Gelb: Besinnen auf das S

Vor der Landtagswahl im Mai will sich die SPD in NRW von Schwarz-Gelb absetzen – und so wieder raus aus der Opposition.

Rudolf Dressler war lange nicht mehr da. Bald neun Jahre ist er nicht mehr bei einer SPD-Parteiveranstaltung gewesen; nur einmal hat er vor einem Jahr bei der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen einen Vortrag gehalten. Dieses Mal ist er gekommen, obwohl er keine Rolle hat und einfach nur zuhören will. So sitzt die Legende der sozialdemokratischen Sozialpolitik fast zwei Stunden lang regungslos in der ersten Reihe des Oberhausener Industriemuseums, wo sich die nordrhein-westfälische Partei trifft, um über ein Positionspapier zum Zusammenhalt in der Gesellschaft zu debattieren. Dressler meldet sich nicht zu Wort, er applaudiert auch nicht, obwohl ihm die Botschaften eher gefallen haben dürften. „Dass ich hier bin“, diktiert er hinterher den zahlreichen Journalisten in die Blocks,“hat mit Frau Kraft zu tun, sie hat gesunde Positionen“.

An dieser Stelle erübrigen sich alle Fragen nach einem möglichen Austritt aus der SPD, selbst die Spekulation, er könne bei der anstehenden Landtagswahl im Mai des kommenden Jahres für die Linke als Spitzenkandidat antreten, verweist er damit ins Reich der Phantasie. Ganz im Gegenteil, er setzt darauf, dass sich die SPD verändert und die aus seiner Sicht richtigen Konsequenzen aus dem Niedergang zieht. „Was wir falsch gemacht haben, müssen wir korrigieren“, verlangt Dressler. Es folgt Kritik an Steuersenkungen und Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt. „Ich erwarte in Dresden eine offene Diskussion“, gibt er der eigenen Partei mit auf den Weg, hinterher sagt er es der Landesvorsitzenden Hannelore Kraft noch einmal in einem persönlichen Gespräch. Die hatte in den vergangenen Jahren immer wieder den Kontakt zu ihm gesucht; nicht weil sie jeden Punkt seiner Kritik teilt, aber weil sie sich der Diskussion stellen wollte.

Kraft hat inzwischen auch keine Hemmungen mehr, die eigenen Reformen an der Realität zu messen und daraus die geeigneten Konsequenzen zu ziehen. Das fällt ihr naturgemäß leichter, weil die SPD inzwischen sowohl in Berlin wie in Düsseldorf auf den harten Bänken der Opposition Platz nehmen musste. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag liefert ihr im übrigen jede Menge Stoff für Attacken, die auch ein Rudolf Dressler nicht anders formuliert. Sie geißelt jede Form von Kopfpauschale im Gesundheitswesen und erinnert an das Duo Blüm und Dressler: „Die wussten, dass das Prinzip Menschen für Menschen richtig ist.“ Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist aus ihrer Sicht „ein Angriff auf den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft“.

Wenn das noch nicht überall so klar geworden ist, hat das ihrer Meinung nach einen schlichten Grund: „Sie warten die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ab, das ist Wahlbetrug mit Ansage“. In diesem Zusammenhang zitiert sie den neuen Lieblingssatz von Jürgen Rüttgers. Erst mal ändert sich gar nichts“, wiederholt der christdemokratische Amtsinhaber des größten Bundeslandes gegenwärtig unablässig, um eventuelle Einschnitte herunterzuspielen. „Sprache ist verräterisch“, hält die Herausforderin von der SPD dagegen.

An der eigenen Basis kommen solche Sätze gut an, selbst die vielen neuen Parteimitglieder, welche die Genossen nach Oberhausen eingeladen haben, applaudieren kräftig. Die später folgende Aussprache dürfte der designierten Stellvertreterin des künftigen Parteichefs Sigmar Gabriel allerdings gezeigt haben, dass die Partei noch einen weiten Weg zurücklegen muss, um das Vertrauen der eigenen Truppe wieder zurückzugewinnen. Die Basis verlangt nicht nur - ähnlich wie Dressler - eine offene Debatte über die vergangenen Regierungsjahre. Sie verlangt auch Änderungen und an vielen Stellen hört sich das ganz so an, wie es der Sozialpolitiker formuliert.

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