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Einmütig. Ein Kleiner Parteitag in Berlin

© dpa

Politik: Wahlkampf intern

Vier Bewerber für die Spitzenkandidatur der Grünen eröffnen auf einem Kleinen Parteitag das Rennen.

Von Sabine Beikler

Berlin - In der grünen „K-Frage“ ist am Sonntagmorgen zwar offiziell noch nichts entschieden. Doch noch vor dem Ergebnis der Abstimmung für die Urwahl bricht auf dem Kleinen Parteitag der Grünen in Berlin der interne Wahlkampf aus. Vier der sechs Kandidaten sind anwesend: Parteichefin Claudia Roth, die Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Jeder Anwärter auf die Spitzenkandidatur spricht vor den 80 Delegierten des Länderrats. „Würden sie das nicht machen“, spottet ein Spitzenmann, „dann hätten wir die Kandidaturen nicht ernst genommen.“ Damit ist das Rennen um das Spitzenduo der Grünen für die Bundestagswahl 2013 seit Sonntag eröffnet.

Parteichefin Roth attackiert Schwarz-Gelb, schimpft über den „CSU-Sound“ in der Europapolitik als „schmutzig, höhnisch, diffamierend, unter der Gürtellinie“ und „auf der Suche nach der verlorenen Hoheit über den Stammtisch“. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) wolle die Energiewende „entschleunigen“ statt auf die Tube zu drücken. Und die „Flexi-Quote“ sei nichts anderes „als keine Quote“. Dann kommt Roth auf die Menschenrechte zu sprechen, für die sie sich „aus großer Überzeugung“ einsetze. Sie kritisiert die Bundesregierung für die noch ausstehende Regelung der Asylbewerberleistungssätze und für die mangelnde Solidarität mit syrischen Flüchtlingen. Roth ruft zum „Startschuss für ein grüneres Deutschland“ auf. „Wir sind die Alternative, in Form und Inhalt“, sagt die für das Spitzenduo kandidierende Parteichefin.

Zwei Stunden diskutieren die Grünen im Anschluss über das vorgelegte „Sofortprogramm Energiewende jetzt“, das schon im Vorfeld in der Partei kritisch hinterfragt wurde. Die Rede ist darin vom Ausbau der erneuerbaren Energien, der Netze, vom „Problem der Speicher“ und von dem Vorantreiben der Energiewende in Europa. Rebecca Harms, die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, fordert von ihrer Partei, dass das Papier „programmatisch“ nachgearbeitet werde und Vorschläge erarbeitet würden, „wie wir die Energiewende beschleunigen und sie mit nachhaltiger Umweltpolitik verbinden wollen“. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer vermisst in dem Antrag den Fokus auf die mittelständischen Unternehmen, die von der EEG-Umlage nicht befreit seien. Die Umlage ist der Teil des Strompreises, der vom Endverbraucher für die Förderung erneuerbarer Energien zu entrichten ist.

Jürgen Trittin, ganz Staatsmann, wettert gegen die FDP und den „Teppichhändler Niebel“, der für den Biosprit E 10 plädiere. Der FDP gehe es um die Interessen der Großkonzerne, „die die Marktstellung gefährdet sehen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien“. Warum energieintensive Betriebe von der Umlage befreit seien, sehe er nicht ein. Der Ausbau der Energieeffizienz werde untergraben und Preissenkungen nicht an die Verbraucher weitergegeben. Trittin fordert eine „Europäisierung der Energiepolitik auf ökologischer Basis“ und einen „Sofortausstieg“ von Schwarz-Gelb.

Direkt nach ihm spricht Göring-Eckardt. Sie stellt die Energiewende in den Kontext der Generationenfrage und fordert eine sozial verträgliche Gestaltung der Energiewende. Die Menschen, die gestiegene Kosten nach Modernisierungen nicht zahlen könnten, hätten ein generelles Armutsproblem. Eine Energieberatung bräuchten die Betroffenen nicht, da sie ohnehin an allen Ressourcen sparen müssten. „Wir müssen als Partei deutlich machen, dass wir für den Zusammenhalt in der Gesellschaft stehen“, sagt die Kandidatin, die Präses der Synode der Evangelischen Kirche ist.

Dann ist die Ex-Verbraucherschutzministerin und Ex-Spitzenkandidatin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Renate Künast, an der Reihe. Sie kritisiert den „E10-Beimischungszwang“ und fordert „Lebensmittel vor Futtermittel". Künast macht einen Bogen zur Welternährung, der sich Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nicht annehmen würde. Ihre Forderungen sind Entwicklungszusammenarbeit auch mit Kleinbauern, die Umsetzung internationaler Leitlinien für Investitionen in Böden, ein Stopp der „Blockadehaltung gegen die EU-Agrarreform“ und ein „Raufziehen“ der EU-Klimaziele.

Alle vier Kandidaten sprechen über ihre jeweiligen Kernthemen. „Falsch gemacht haben sie damit nichts“, sagt ein Grüner. Ob das allerdings reicht, auch die Basis für sich zu überzeugen, wird sich auf den anstehenden Regionalversammlungen in den Ländern zeigen, die in den nächsten Wochen organisiert werden. Das Ergebnis der Urwahl wird am 10. November feststehen – eine Woche vor dem Bundesparteitag in Hannover. Rund 90 000 bis 100 000 Euro wird die Urwahl kosten, sagt Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke.

Und im nächsten Jahr sind die 59 000 Grünen-Mitglieder erneut zur Mitbestimmung aufgefordert. Auf Basis des Wahlprogramms, das Ende April auf einem Parteitag in Berlin verabschiedet werden soll, will die Partei im Juni einen Mitgliederentscheid organisieren. Dann soll die Basis zehn programmatische Schwerpunktthemen aus dem Wahlprogramm für den Wahlkampf festlegen. Die Mitbestimmung in der grünen Partei als „Ausdruck einer noch besseren grünen Beteiligungskultur“ solle auch andere Parteien „Mut machen“, sagt Bundesgeschäftsführerin Lemke optimistisch.

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