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Politik: Wahlkampf: "Schuss ins Knie"

Der Bundeskanzler geht in die zuwanderungspolitische Offensive. Denn Gerhard Schröder hat seine Partei auf einen Richtungswahlkampf eingeschworen und den Streit um die Zuwanderung gezielt als Beleg für das unterschiedliche Gesellschaftskonzept von SPD und Union angeführt.

Der Bundeskanzler geht in die zuwanderungspolitische Offensive. Denn Gerhard Schröder hat seine Partei auf einen Richtungswahlkampf eingeschworen und den Streit um die Zuwanderung gezielt als Beleg für das unterschiedliche Gesellschaftskonzept von SPD und Union angeführt. Bei der Wahlentscheidung am 22. September gehe es unter anderem um die Entscheidung zwischen "Weltoffenheit und Provinzialismus", schreibt der SPD-Vorsitzende Schröder in einem Brief an die Gliederungen der Partei. "Zukunft oder Vergangenheit" ist ein weiteres Begriffspaar aus dem Schröder-Schreiben, das den vermeintlichen Gegensatz zwischen ihm und seinem Gegenkandidaten verdeutlichen soll. Neben anderen Reformen seiner Regierung verdiene das Zuwanderungsgesetz das Prädikat "historisch", so der Kanzler. Die Gegner der Reform seien gesellschaftlich isoliert.

Nicht nur der Kanzler kritisiert das Vorhaben, die Zuwanderung auch im Wahlkampf umfassend zu behandeln. Unmut regt sich auch in der CDU. So warf der einstige Bundestagsabgeordnete Horst Eylmann, der auch Mitglied der Süssmuth-Zuwanderungskommission war, Stoiber vor, dieser habe den Kompromiss in der Frage bewusst torpediert. "Für ihn war die Machtfrage entscheidend: Schröder sollte scheitern", schreibt Eylmann in der "Zeit". Auch mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller ging der frühere rechtspolitische Sprecher der CDU hart ins Gericht. Müller habe "seiner Karriere wegen" nicht mehr wahrhaben wollen, was er als Vorsitzender der CDU-Zuwanderungskommission empfohlen habe. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch habe "mit seiner geheuchelten Entrüstung erneut seine schauspielerischen Talente besser zur Geltung gebracht als seine politischen".

Einer, der im Bundestag für das Zuwanderungsgesetz der Regierung gestimmt hatte, warnte vor einer Ausländer-Kampagne der Union. "Wer so etwas macht, der ist reif für die Psychiatrie", sagte der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Viel Erfolg versprechender sei die Chance für den Kandidaten Stoiber, mit Wirtschaftskompetenz die Wahl zu gewinnen. "Wenn nun das Ausländerthema hochgezogen wird, dann ist das der berühmte Schuss ins Knie."

CDU-Chefin Angela Merkel versprach indes, dass es beim Thema Zuwanderung nicht zu einer Schlammschlacht im Wahlkampf kommen werde. "Darauf haben sie mein Wort. Da bin ich mir mit Edmund Stoiber völlig einig", sagte Merkel der Illustrierten "Bunte". Allerdings betonte sie erneut die Bedeutung der Zuwanderungs-Frage: "Im Wahlkampf spielen die Themen eine Rolle, die die Menschen bewegen. Zuwanderung gehört dazu, aber das werden wir nicht auf dem Rücken der Ausländer austragen." CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer versuchte dagegen in der Zuwanderungsfrage eine Annäherung an die FDP. Es gebe "gute Chancen", nach einer gewonnenen Bundestagswahl gemeinsam mit den Liberalen ein neues Zuwanderungsgesetz zu verabschieden, sagte Meyer. In den Grundforderungen seien sich Union und FDP einig.

Der FDP-Innenexperte Max Stadler rieb sich bei der Lektüre der Meyer-Worte verwundert die Augen. "Entweder handelt es sich bei Herrn Meyer um Wunschdenken oder um Unkenntnis der eigenen Konzepte", kommentierte Stadler. Gerade im humanitären Bereich gebe es große Unterschiede zwischen den Konservativen und den Liberalen. "Wir sind viel näher an der Position der Kirchen als die Union", sagte Stadler. Auch im Bereich der Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen sei die Position der FDP viel weitergehend als die von CDU/CSU. Er empfehle Meyer daher, die Konzepte noch einmal genau zu lesen.

Markus Feldenkirchen

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